Hommage
an Songs for Drella
Anmerkungen
zu dem gewagten Versuch, Popkultur auf der Bühne zu inszenieren - anlässlich
der Premiere »Songs for Drella« im Theater Bonn am 14.04.2010
Von Goedart Palm
Lou
Reed und John Cale veröffentlichten 1990 das Konzeptalbum »Songs for
Drella« als späte Huldigung an den großen Andy, der das erste, längst
zum Mythos avancierte Album der legendären »Velvet Underground«
produziert hatte. Das Bananen-Cover, das Warhol seinerzeit beisteuerte,
muss die magische Ausstrahlung noch erheblich erhöht haben, denn anders
ist jeder Erklärungsversuch dieser Total-Verkultung vergeblich.
»Songs
for Drella« am Theater der Stadt Bonn ist eine Hommage an diese Hommage
an Andy Warhol. Wer weniger will, könnte von einer Neuauflage sprechen.
Hier liegt bereits das künstlerische Problem. Wie kann man drei der schrägsten,
coolsten und nebenbei auch erfolgreichsten Figuren der Pop-Geschichte,
Andy Warhol, Lou Reed, John Cale, so mimetisch abbilden, dass sie nicht zu
blässlichen Abziehbildern werden? Als Schauspieler, Musiker, Dramatiker würde
ich mir die Frage erst gar nicht vorlegen, ich würde die Finger davon
lassen. Denn wenn wir dieses Dreieck des Pop-Himmels betrachten, erleben
wir Ikonen, die um ihr Charisma wussten und es in einer Weise
inszenierten, die sub specie aeternitatis - jedenfalls unter dem
Gesichtspunkt verrockter Ewigkeit - des Rockhimmels Geschichte macht. Es
gibt Posen, um nicht von «lifestyles« zu reden, die nicht (re)inszeniert
werden können, weil sie sich unverbrüchlich mit einer Person und ihrem
Kontext verbinden. Davon lebt die Pop- und Rockkultur, deshalb kreischen
(unter anderem) die Fans. Mick Jagger ist Mick Jagger ist Mick Jagger.
Nicht anders Lou Reed. »Songs for Drella« als Theater wandelt daher auf
einem schmalen Pfad, was dadurch noch längst nicht zum »walk on the wild
side« wird.
Eine
musikalische »Metapose« zu einer fan-bewährten sakrosankten Pose des
Rockstars würde höchstens als ironische Kondition einleuchten. Das
lakonische und zugleich aufgeheizte Lebensgefühl, das wir mit Warhol,
Cale/Reed und »factory« verbinden, ist nicht leicht zu ironisieren. »Drella«,
also Warhol als perfide Personalunion von Dracula und Cinderella, ist
deshalb so berühmt geworden, weil kein Künstler je so durch und durch
artifiziell erschien, ohne dass dieses seinerzeit provokante Gegenbild zum
klassischen Künstler (der inneren Notwendigkeit) nicht zugleich völlig
authentisch gewesen wäre. Andy Warhol war in eine Formel gepresst:
authentisch inauthentisch. Diese Paradoxie künstlerischen Seins übertrug
sich auf die Mitglieder der »factory« und John Cale und Lou Reed waren
augenscheinlich trotz einiger Differenzen mit dem Meister der
vervielfachten Marilyn fasziniert davon.
Lou
Reeds lakonisch-puristische Art zu singen, seine ambivalenten Texte über
die mehr oder minder schäbige Gegenkultur, seine sperrige
Selbstinszenierung lassen sich im Theater nicht wiedergeben. Ohnehin
stellt sich hier die fundamentale Frage, wie das Theater in seinem Medium
Rockmusik darstellen will. Rockmusik ist a priori Theater, dessen Pathos
aber auf einer anders gepolten Bühne nicht entfacht wird. Scherze über
diese Rituale, wie es die Bonner Inszenierung versucht, sind keineswegs
verboten, aber das müsste dann härter, distanzierter, womöglich sogar
manierierter kommen. In diesen witzelnden Umrahmungen der Bonner Premiere
wird die Existenzialität der beiden Musiker und ihrer Devotionalie »Warhol«
zurückgenommen. Man muss sich künstlerisch schon entscheiden: Entweder
reproduziert man im besten Sinne des Wortes den »Star«, wird selbst zum
Star, oder aber zu einer ironisch distanzierten, kritisch begleitenden,
vielleicht sogar schizophren antipodischen Figur. Val Kilmer gelang es
unter den ungleich anderen Bedingungen des Films (The Doors, 1991, Regie:
Oliver Stone) sich in Jim Morrison zu verwandeln. Diese Mimikry reichte
selbst bis zum einfühlsamen Gesang, dem angeblich Ex-Bandmitglieder
attestierten, Jim Morrison darin perfekt zu treffen. Dagegen stehen
Myriaden von Michael-Jackson-Imitatoren, die den »moon walk« schon für
die ganze Miete ihres Auftritts halten, ohne die durchlittene Hybridität
des »King of Pop« je zu ahnen.
Was
der Bonner Aufführung gelingt, ist die mitunter einfühlsame Engführung
von Musik und Video. Die beiden Instrumentalisten, Markus Schinkel und »Birth
Controller« Peter Engelhardt, verstehen ihr Handwerk. Henrik Richter
kommt zwar phänotypisch, also rein äußerlich, an Lou Reed näher heran
als Arne Lenk an John Cale. Doch das ist nicht wesentlich. »Le style
c'est l'homme«! Von Lou Reed gibt es nicht nur Musikvideos, sondern auch
aufschlussreiche Interviews. Distanz, trockene Ironie, mitunter
(vermutlich seinerzeit drogengestützte) Blasiertheit charakterisieren
diesen Stil, der für Schauspieler schwer kopierbar ist, weil man zugleich
präsent sein muss, während man sich zurücknimmt. Die Freiheit, wie Lou
Reed und John Cale zu singen, kann man sich zwar nehmen, doch das Original
sitzt nicht nur im Nacken der Schauspieler, sondern auch in den Ohren der
Zuhörer. Ein
Internet-Hörer beschreibt es richtig: »Lou
Reed can miss notes if he want´s to, he´s Lou Reed
man!!!«
Unter
diesem Vorbehalt leisten Henrik Richter und Arne Lenk gute Arbeit.
Letztlich wird aber klar, dass der Unterschied zwischen dem – Antonin
Artaud hin oder her - besonneneren Theater und dionysisch
selbstverliebten Rockkulten unhintergehbar
ist. Diesen vorinstallierten Hiatus versucht die Bonner Hommage durch
Lockerheit zu überbrücken, was als Medium dieser beiden Musiker nicht
per se falsch ist. Doch Lou Reed und John Cale sind in ihrer musikalischen
Selbstdarstellung erfahrungsgesättigter, durchzogen von den
fucked-up-Erlebnissen urbaner Kultur, die zwar die kurzweiligen
Videosequenzen der Bonner Hommage zu illustrieren versuchen, die aber längst
nicht das Spiel der beiden Schauspieler fundieren. Vielleicht sollte bei
weiteren Aufführungen überlegt werden, entweder die Darbietung dreckiger
zu machen oder aber das narzisstische »Trio
infernal« der nicht mehr ganz taufrischen Pop-Moderne ironischer zu
verfremden. Der kollektive Auftritt der Bonner Akteure als abgehangene
Cowboys mit der (Steil)Vorlage der Altmeister reicht da noch nicht
hin. Diesmal sind es gerade die unfeinen Unterschiede, auf die es ankommt!
Goedart
Palm
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