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Special Art Collection: Murderabilia

Künstler David Johnson verewigt Serienkiller als Actionfiguren

Im Garten der menschlichen Lüste wachsen seit je seltsame Pflanzen, aber vielleicht gediehen sie nie besser als gerade in zivilisierten Gesellschaften (http://www.amuseyourself.com/yafoo/culture.html), die ihren Mitgliedern nicht wenig an Korrektheit, Fleiß, Disziplin, Triebökonomie, Selbstverleugnung und Entfremdung auferlegen. Der amerikanische Bildhauer David Johnson bereichert seit einiger Zeit diesen bizarren Garten mit einem wildwuchernden Skulpturenbeet, das die unausrottbare Faszination des Schrecklichen aufs Vorzüglichste bedient. Johnson konventionelle Bildhauerei wollte kaum je einer genießen. Also wechselte er das Sujet und schuf eine Serie von Actionfiguren, die weniger angenehme Zeitgenossen darstellen: Jeffrey Dahmer (http://www.crimelibrary.com/dahmer/dahmermain.htm) etwa, den Kannibalen, oder den Serienkiller John Wayne Gacy http://www.crimelibrary.com/serial/gacy/gacymain.htm), der beruflich als Partyclown auftrat und privat erheblich unkomischer veranlagt seine Opfer unter dem eigenen Haus verbuddelte. Gacy im vollen Outfit als "Pogo der Clown" ist einer der Renner von Johnsohns blutigen Kunststoffkomparsen, aber das Geschäft läuft so gut, dass der Meister der Killer, Kannibalen und Zombies bereits an Serie 2 arbeitet. Mit den Sammelfiguren "Jack the Ripper" (http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/11319/1.html), "Alferd Packer" (http://www.roadsideamerica.com/set/MEATpacker.html) und "Lizzie Borden" (http://www.halfmoon.org/borden/) könnten die quälend langen Lieferzeiten, vor denen Johnsons Webpage gegenwärtig schon warnt, noch länger werden. Johnsons Geschäft läuft deshalb nur noch über seine eigene Netzrepräsentanz (http://store.yahoo.com/spectrestudios/index.html), weil eBay (www.ebay.com) nicht länger bereit ist, die Fetische des Schreckens zu versteigern. Auch Johnson hatte sein künstlerisches Erleuchtungserlebnis, das ihn vom Paulus zum Saulus verwandelte, in dem Moment, als eins der Horrorfigürchen wider Erwarten im Netzauktionshaus 160 $ einbrachte. 

Zwar treibt Johnson mit Entsetzen Scherz, aber der Artist mit den elastischen Geschmacksnerven hat die Grenzen seiner Horrorästhetik schon entdeckt. Usama bin Ladin als Fürst der Plastikfinsternis ist genauso wenig zu erwarten wie die Massakerkids Dylan Klebold und Eric Harris der Columbine High School  (http://www.disastercenter.com/killers.html), die nicht allzu weit von des Künstlers Atelier in Denver entfernt ihr blutiges Erdenwallen beendeten. Auch die Fans von Charles Manson (http://www.crimelibrary.com/manson/mansonmain.htm) hoffen vergeblich auf Johnsons schrecklichen Geschmack, weil Schlächter Manson zwar nicht im Vollbesitz seiner geistig-seelischen Kräfte, wohl aber seiner Bildrechte ist. 

Im politisch, emotional und ästhetisch hyperkorrekten Amerika provozieren Johnsons Albtraumreisen in die verdrängten Seelenlandschaften gewaltig. Aber juristisch kann ihm das (Kunst)Handwerk nicht gelegt werden. Geschmacklosigkeit ist auch seit dem 11.September noch nicht strafbar. Zwar gibt es in einigen amerikanischen Staaten wie Kalifornien oder Texas gesetzliche Regelungen, die den Handel mit "Murderabilia" - Schriften, Kunstwerken, Souvenirs bis hin zu Haaren und abgeschnittenen Fußnägeln von Killern - verbieten. Daneben gibt es Gesetzesinitiativen, die wenigstens einen Teil dieser Erträge in Opferfonds abführen wollen. "Murderabilia", die aber Dritte herstellen, fallen unter "freedom of speech" und Wirtschaftsfreiheit. Opferschützer monieren mit einigem Recht, dass ihr Klientel nach den erlittenen Leiden und den Kreuzwegen der Prozesse durch die Trivialisierung und Ironisierung des Schreckens zusätzlich bestraft würden. Aber die gesellschaftliche Lust an der dunklen Seite des Menschentiers ist eine Kondition, die durch diese nachvollziehbare Kritik nicht ausgetrieben werden dürfte. Madame Tussaud´s Schreckenskammer mit Adolf Hitler oder Frauenmörder John Christie (http://web.ukonline.co.uk/ruth.buddell/christie.htm) als unheimliche Wachskameraden faszinieren eben so wie früher Hinrichtungen, die sich nicht selten vom Volksspektakel zum origiastischen Happening entwickelten. 

Heute reagiert sich die dunkle Lust am Schrecken eben an sensationslüsternen Geschichten der Boulevardpresse oder den Tiertheatern der Grausamkeit (http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/9138/1.html) ab, wenn er sich nicht hinter zivilisatorischen Großaufträgen unkenntlich machen darf. Johnsons Plastikfigürchen sind jedenfalls eine noch erträgliche Variante wie weiland im 18. und 19. Jahrhundert die beliebten Schauer-, Gespenster-, und Monstergeschichten fürs einfache Volk. Und es ist doch besser, wenn wir den kleinen Jack oder Jeffrey in uns als Horrorheld auf dem Bücherbord von Zeit zu Zeit liebevoll abstauben, als unsere unschuldige Katze zu quälen. 

Goedart Palm 

Rex Miller

© Goedart Palm 

 

 

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Copyright. Dr. Goedart Palm 1998 - Stand: 05. Juni 2018.