Der "Erste
Krieg des 21. Jahrhunderts"
(Link1)
Mit dem 11. September, mit den Anschlägen auf
das World Trade Center und das Pentagon, hat der "Krieg", der sich zuvor
in relativ sicherer Distanz zur westlichen Öffentlichkeit vollzog, auch uns
erreicht. Routineschläge auf den Irak, "Essential Harvest" in Mazedonien,
blutig-tribalistische Konflikte in Afrika, das Oklahoma-Attentat, aber auch Hackerangriffe
und Cyberscharmützel waren bisher kaum ausreichend, das privilegierte Sicherheitsgefühl
des Westens nachhaltig zu erschüttern. Das ist jetzt fundamental anders. Politiker
und Militär sprechen inzwischen vom "Ersten Krieg des 21. Jahrhunderts",
einer neuen Form des Kriegs, die seine bislang bekannten Szenarien verlässt. Was ist neu
an diesem Krieg?
Die so genannte zivilisierte Welt erlebt ein traumatisches
Dilemma: Sie hat einen neuen alten Feind, kann ihn nicht sehen, ja nicht einmal genau
bezeichnen, muss ihn aber bekämpfen. Denn nicht nur die Gruppe um die Selbstmordattentäter
des 11. September, Usama bin Ladin und die Taliban stehen jetzt in der vordersten
Schusslinie, sondern der alliierte Kampf richtet sich gegen die namenlose Hydra des
internationalen Terrorismus. Kein klassischer Krieg zwischen Staaten, sondern ein Krieg
von Nationen gegen militant-fanatische Gruppen, die wie Nomaden über den Globus
ziehen.
Die vor wenigen Tagen noch multipolare Welt
reduziert sich jetzt wieder auf zwei Lager: Antiterrorstaaten und solche Regime, die den
Terror fördern. Bush hat alle Nationen vor die Wahl gestellt, "entweder mit den USA
oder den Terroristen" zu sein. Mit dieser "Lager-Doktrin" wird das Blockdenken
des Kalten Kriegs, der nun aber ein heißer ist, wiederbelebt. Die relative Gnade einer
Symmetrie atomarer Bedrohung wird in dieser diffusen Neugliederung der Weltordnung nicht
mehr gewährt.
Mit dem Kreuzzug gegen die Barbarei, dem
Vergeltungskrieg mit Pauken und Raketen proklamierte Präsident Bush zugleich auch den Informationskrieg.
Informationen seien in einem Kampf gegen einen gesichtslosen Feind besonders wichtig.
Sichtbare und unsichtbare Schlachten würden jetzt geführt für das westliche Ideal
einer transparenten Politik und rechtsstaatlich konturierter Öffentlichkeiten eine
gefährliche Kondition.
Die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza
Rice fügte hinzu, der jetzt einsetzende Kampf sei ebenso ein "Krieg des Willens
und des Geistes" wie der Armeen und Brückenköpfe. Nun ist das martialische
Getöse zum Kampf entschlossener Nationen zuletzt ein propagandistisches Novum. Aber der
"Krieg des Willens und des Geistes" ist in Zeiten digitaler Aufrüstung viel
mehr.
Er markiert vor allem die schlagkräftige Kombination
von militärischer Gewalt mit einem extensiven Informationskrieg, der sowohl
öffentliche Propaganda, Desinformation, Geheimdiensttätigkeiten sowie Schlachten
im Netz und jenseits des Netzes beinhaltet. Wie viel gilt noch die alte Hoffnung der im
Krieg leidenden Zivilgesellschaften, den Krieg in einen überschaubaren Zeitplan zu
pressen, seine Kosten gering zu halten und die sozialen, wirtschaftlichen wie
kulturellen Überlebensvoraussetzungen nicht dem Totalitarismus des Konflikts zu
opfern? "Wenn ein Krieg zwanzig Jahre gedauert hat, so kann er wohl hundert dauern.
Denn der Krieg wird nun ein Status: Polemokratie. Die Menschen, die den Frieden
geschmeckt haben, sterben weg", warnte Lichtenberg.
Informationskrieg
Was bisher in den vagen Definitionen
militärischer Selbstreflektion als "Information Warfare", "Netzkrieg"
oder "Cyberwar" firmiert, ist die militärlogische Überbietung alter
Aufklärungs- und Desinformationsstrategien. Sie wurden seit je dem harten Schlagabtausch
vor-, nach- und beigeschaltet. Nach der weiterhin gültigen Formel des "Institute
for the Advanced Study of Information Warfare" (IASIW) handelt es sich um den
offensiven und defensiven Gebrauch von Infosystemen, um die Informationen des Gegners
auszunutzen, zu täuschen, zu korrumpieren oder zu zerstören.
Die Informationskriegsgeschichte ist so alt
wie der Krieg selbst. Dass Wissen Macht ist, ist den Militärs spätestens seit Sun Tzu
(ca. 400-320 v. Chr.) bekannt, der im vierten Jahrhundert vor Christus die Kenntnis
des Gegners und der eigenen Vernichtungspotenzen zur Voraussetzung erklärte, um in
hundert Schlachten erfolgreich zu sein. Doch ab jetzt umkreisen Medien und Informationen
nicht nur den Krieg, sondern werden selbst als genuine Waffen in das Arsenal
integriert. Eine Kondition haben Informationskrieger aller Couleur mit Terroristen
gemeinsam, die Unsichtbarkeit, die nur durch Wirkungen gekennzeichnet ist und keinen
Zugriff auf Akteure bieten soll.
Für das Pentagon handelt es sich bei dem
jetzt einsetzenden Antiterror-Kampf um den informationsabhängigsten Krieg, den man sich
bisher überhaupt vorstellen konnte. Ein Szenario, das zwar die mächtigste Militärmacht
der Erde zum Golf zurückführt, aber nicht zum Hochgeschwindigkeitskrieg von "Desert
Storm". Die Strategien dieser neuen Kriegsform werden mit denen langwieriger Drogenkriege
verglichen. Zukünftige Militäraktionen sind für die "Headlines".
Dahinter bewegen sich zeitaufwändige Spezialoperationen, vor allem
nachrichtendienstliche Tätigkeiten, Finanzaktionen wie das Einfrieren von verdächtigen
Konten, selbstverständlich Diplomatie und eben der Krieg im Netz.Nun führt die Bündelung so diverser Maßnahmen
zu einer paradoxen Kriegsdefinition ohne Grenzen. Selbst von offiziellen
Beobachtern wurde deshalb das uns erwartende Szenario begrifflich auf Terror- und
Verbrechensbekämpfung heruntergefahren weil es den klassischen Antagonismus
staatlich verordneter Massenkriege verlässt. Aber vielleicht sollte man sich besser an Fichte
halten: "Krieg aber ist nicht nur, wenn Krieg geführt wird, sondern die allgemeine
Unsicherheit aller vor allen, und die daraus erfolgende immerwährende Bereitschaft
zum Kriege, ist auch Krieg, und hat für das Menschengeschlecht fast dieselben Folgen, als
der geführte Krieg". Und pragmatisch gesprochen: Die Definitionshoheit von
Präsident Bush "We´re at war" vereinbart sich mit dem Programm der
terroristischen Gotteskrieger, einen heiligen Krieg zu führen.
Zur Psychopathologie der Cyberangst
Schon seit längerer Zeit grassiert im Westen die
Furcht vor (para)militärischen Angriffen aus der Tiefe des digitalen Nichtraums. Die
Angst vor dem ausge"hackten" Kollaps existenzieller Versorgungssysteme
geht in netzabhängigen Gesellschaften als ein Schrecken ohne Gravitationszentrum
um. "Information Warfare" handelt von der Angst - so paradigmatisch der
"Infowarveteran" Winn Schwartau (Link2). Der Schrecken eines jeden
militärischen Oberbefehls ist es, im fog of war, im Nebel des Kriegs, Spiel, Satz
und Sieg zu verlieren. Aber zu der alten Angst einer Wahrnehmungseintrübung in der
heißen Phase klassischer Kriegführung tritt die Angst vor virtuellen Katastrophen,
die sich in einer logischen Vernichtungssekunde in reale Katastrophen verwandeln können.
Zwar wird jetzt die Angst vor neuen
terroristischen Schlägen, vor dem Einsatz biologischer oder nuklearer Waffen aufgeheizt,
aber das elektronische "Pearl Harbour" verliert damit längst nicht
seinen Schrecken. Denn das Chaos, wie es New York in der Panik und Verzweiflung vom 11.
September 2001 erlebte, eine Konfusion, die Staaten und Öffentlichkeiten, Medien und
Märkte erfasste, könnte durch einen Cyberangriff noch überboten werden. Mit der
immer intensiveren Vernetzung werden Angriffe auf Behörden, überlebenswichtige
Versorgungs-, Transport-, und Kommunikationsunternehmen, Banken oder Kontrollsysteme nicht
mehr als regionaler Schrecken beschrieben, sondern als potenzieller Weltbrand.
Wo bitte geht's zur Cyberfront?
Wenn Macht nicht mehr vorrangig territorial,
ökonomisch oder militärisch in Mann- und Materialstärken definiert werden kann, könnte
sich das Selbstverständnis einer militärisch abgesicherten Weltfriedensordnung,
die ja spätestens mit dem Kosovokrieg mit einer humanitären Weltkriegsordnung verschmilzt,
als historische Fiktion erweisen.
Die Angst geht um und nach Simenon gilt, dass die
Angst ein "gefährlicherer Gegner ist als alle anderen". So eigneten sich
bereits vor den Anschlägen des 11. September 2001 vom ex-saudischen Topterroristen Usama
bin Ladin bis hin zu namenlosen Cyberterroristen alles als digitales Drohgespenst.
Senator Robert Bennett aus Utah hat indes kürzlich die böswilligen Hacker als
Existenzbedrohung des amerikanischen Gemeinwesens einstweilen in den Ruhestand geschickt.
Sie seien zwar eine Plage, aber keine echte Bedrohung.
Zuvor waren ja angeblich noch script-kiddies
geeignet, den digitalen Supergau auszulösen - ohne zur Apokalypse viel mehr beitragen zu
müssen, als bösartige Hackerbilligsoftware downzuloaden. Aber selbst besser
gerüstete Terroristen können nach Lawrence Gershwin, einem Technologiespezialisten des
vom CIA betriebenen "National Intelligence Council" lediglich bedingte
Cyberdrohungen aufstellen. Usama bin Ladin, offizieller Staatsfeind Nr. 1 der USA,
musste zwischenzeitlich sogar seinen Spitzenplatz auf der nach oben offenen Schreckensskala
von Präsident Bush, CIA, NSA und den stetig nachwachsenden Sicherheitsagenturen wie
-ausschüssen an potentere Gegner abtreten.
Lawrence Gershwin verweist auf Russland und China,
die wie die USA auch aktive Programme der Cyberkriegführung betreiben. Für die
nächsten 5 bis 10 Jahre etwa können nur Nationalstaaten die Disziplin und
Ressourcen aufbringen, um ernst zu nehmende Angriffe auf die kritischen Infrastrukturen zu
entwickeln. Waffen bzw. Medien jenseits von Raketensilos und Abschussrampen, die diskret
vor der Weltöffentlichkeit verborgen in Rechnern und Netzwerken leben, erscheinen ebenso
gefährlich wie atomare oder biologische Waffensysteme.
Vor allem aber: Wie sollen solche Waffensysteme
kontrolliert werden, wenn sie nicht einmal genau bezeichnet werden können? Zudem wäre es
naiv, solche Waffen nur auf ihre realen Wirkungen hin zu beziehen. Sie gehören zugleich
zu den imaginären Waffentypen aus dem traumatischen Arsenal von Peenemünde, etwa
jenes mit unzähligen Entwicklungsproblemen beschwerte Aggregat 4, das sich erst in
Goebbels Propaganda zur V 2, zur Wunder- und Vergeltungswaffe, verwandelte. Solche Schrecken
liegen immer auch in der Nähe jenes "magnetischen Bergs", der von Plinius bis
zu Mandeville auf dem Seeweg nach Indien verortet wurde. Alle metallischen Gegenstände
soll er angezogen haben und so die Schiffe zerschmettert haben, die von ihm erfasst
wurden. Letztlich gesehen hat ihn keiner, aber die Angst zog er wirklich magnetisch
an.
Landscape of fear
Dem Hamburger Informatiker Klaus Brunnstein
zufolge erscheinen sowohl die gegenwärtigen Computersysteme mit Windows-Software wie auch
das Internet auf Grund ihrer Struktur unsicher und praktisch nicht kontrollierbar.
Trojanische Pferde, Würmer und Viren könnten sich trotz immer besserer
"Firewalls" jederzeit erfolgreich in die Rechnerwelten einschleichen, um dort
den Datengau auszulösen. Brunnstein glaubt den gordischen Knoten zu durchschlagen,
wenn er neben dem Internet in seiner bestehenden Form für ein "Secure-Net"
plädiert, das die sensiblen Bereiche der Wirtschaft, des Militärs, der Geheimdienste in
eine eigene Architektur einbettet. Aber weltenthobene, absolute Sicherheiten, ein Fort
Knox des Cyberspace ist auch nur eine weitere Fiktion des Raums, eine künstliche
Erdung, da alle je geschaffenen Fortifikationen, vermeintlich uneinnehmbare
Festungen zuletzt immer der offenen Dialektik von Angriffs- und Verteidigungssystemen
weichen mussten.
"Die größte Herausforderung ist der
schnelle Wechsel der Umstände, auf die reagiert werden muss", beklagt William Mair,
Präsident der "Information Assurance Associates". Was einen Monat lang als
wirksame Verteidigung gegen Datenkrieger gelten kann, sei in sechs Monaten nur noch
bedingt zuverlässig. TempoLimit wird hier nicht gewährt.
Wir erleben statt dessen die Wiedergeburt
der nur scheinbar ausgetriebenen Furcht vor dem Neuen unter erheblich verschärften,
gleichsam dromologischen Bedingungen. Im 16. und 17. Jahrhundert galt das Neue als das
kategorial Fremde, das selbstverständlich Angst machte. Das Neue - die unbeschreiblichen Wunderwerke
der Informationstechnologie, die Ausblicke auf eine alles beherrschende
Cybertechnologie - wird heute von komplexeren Gefühlen heimgesucht: Heilsbringer und
Untergang, Pandoras Büchse und prometheische Wunderwerke gehen eine untrennbare,
explosive Angstbeziehung ein. Winn Schwartau hat die fundamentale Ambivalenz gegenüber
der Digitaltechnologie als binäre Schizophrenie psychiatrisiert: "Ich brauche
Computer, aber ich traue ihnen nicht." Wenn diese beiden Momente koexistieren
müssen, entsteht ein innerer Konflikt, ohne dass Gesellschaften Chancen hätten, ihre
Kollektivpsychose dem Psychiater anzuvertrauen.

Boden-lose Angst
Wenn sich die relative Übersichtlichkeit
territorialer Grenzen, schützende geopolitische Vorgaben, das relative Vertrauen auf splendid
isolation, die Bodenhaftung des Kriegs auflösen, wird die Bodenlosigkeit potenzieller
Kriege zum Angstfaktor. Eine vertikale Angst lässt die vormalige horizontale Sicherheit
hinter sich, den anrückenden Angreifer wenigstens noch sehen zu können. Der potenzielle
Feind von morgen erscheint vornehmlich als pure Vernichtung. "Full spectrum
dominance", dieses vielleicht am heißen Golf für einige Wochen
annäherungsweise erreichte Ideal der amerikanischen Streitmächte, ist nicht anderes als
der militärische Terminus für die alte Angst vor der Dunkelheit. Wer die Sonne hat, der
ist unsterblich (Leroux de Lincy), aber dieser Anspruch ist so wenig erreichbar wie der militärische
Irrglaube, den "fog of war" durch immer intelligentere Waffen, immer
kürzere Reaktionszeiten endgültig zu vertreiben.
Die bodenlose Kondition des Kriegs wie der
inneren Sicherheit wird auf der Ebene von Strategie, Führung und Kriegstheorie zur
Definitionsschwäche, die sich etwa in der Auflösung der Markierungen auf den Karten des
Generalstabs niederschlägt. Der Informationskrieger wird auf Amerikas binäre
Schizophrenie vertrauen, wenn er die Technologie sowohl gebraucht als auch
missbraucht.
"Die Evidenz des heute verbreiteten Glaubens
an die Technik beruht nur darauf, dass man glauben konnte, in der Technik den absolut und
endgültig neutralen Boden gefunden zu haben", stellte bereits Carl Schmitt fest.
Aber dieser Boden einer völkerversöhnenden Technologie existiert so wenig wie
eine panoptische Sicht, die Satelliten zwar für das Geschehen auf dem Erdboden
besitzen mögen, aber die gegenüber nicht verortbaren Datenbänken nicht existiert und
unwahrscheinlich bleibt.
Angstorganisation
Nun sind, wie schon Sigmund Freud einsehen musste,
traumatische und reale Angstzustände nicht leicht zu trennen.
Rechtzeitige
und vorsorgliche Angst gilt als die Mutter der Sicherheit (Edmund Burke) und unter
dieser rationalisierten Angstprämisse entfalten sich auch die neuen Rüstungsspiralen
von Cyberkrieg, Antiterrormaßnahmen und innerer Sicherheit. Da niemand so genau
weiß, ob hier Schizophrenie, Paranoia oder begründete Sicherheitsrisiken verhandelt
werden, wird der Nichtraum des Cyberspace weiter definiert, markiert, organisiert - und
vor allem: überrüstet.
Die unabsehbare Definitionsschwäche, die
schon bei der Frage, was in virtuellen Szenarien überhaupt noch als inneres oder
äußeres Sicherheitsrisiko bezeichnet werden könnte, prägt auch die amerikanische Organisationshektik.
Immer neue Sicherheitsagenturen entstehen in einem Dickicht von Informationsquellen
und Kompetenzen. Auch der Schulterschluss mit großen Wirtschaftsunternehmen, der
gegenseitige Informationsaustausch soll die Zeit- und Bodenverluste unverzüglich wieder
wettmachen.
Dass die Unterscheidung von innerer und äußerer Sicherheit kaum noch
Sinn macht, markiert nicht nur der Anschlag vom 11. September, sondern bereits das 1998
von Clinton ins Leben gerufene National Infrastructure Protection Center (Link3).
Hier werden unter anderem FBI, DOD (Verteidigungsministerium) und CIA in - je nach
Angriffsrichtung und -intensität - wechselnde Kompetenzordnungen koordiniert. Da sich der
Schutz der Infrastruktur gleichermaßen auf staatliche und private Bereiche erstreckt,
werden potenziell alle staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte in einer Public-Private-Partnerschaft
auf unbegrenzte Zeit verbunden. Immanuel Kants Empfehlung zum ewigen Frieden "Stehende
Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören" wird durch die
permanente Einbindung potenziell aller Gesellschaftsmitglieder im Zivilprogramm eines
ewigen Kriegs überboten. Der zivilistische Krieg verliert darin sein Gesicht und
maskiert seine Akteure zu Ordnungsmächten gegenüber den Angriffen des Feinds.
Die größte Angst ist die Furcht vor der
Handlungsschwäche, Furcht vor "Totzeiten" im doppelten Sinne des Wortes,
wenn doch instantanes Handeln erforderlich ist. Vor einigen Monaten fürchteten Kritiker
der amerikanischen Sicherheitspolitik, die Bush-Regierung könnte die falschen
Weichen stellen, um den Schutz des technologischen Rückgrats des Lands zu
gewährleisten. Bushs Vorschlag sieht vor, den Posten des Sicherheitschefs abzuschaffen,
um stattdessen einen Ausschuss von 21 Vertretern aller größeren Bundesbehörden
einzurichten.
Mark Rasch, früherer Chef der "Justice
Department's computer crimes division" prognostiziert, dass das avisierte Bush-Modell
seinen Input von jeder Informationsquelle "auf Gottes grüner Erde"
erhalte, bevor es überhaupt zu einer Reaktion komme. Der "Information
overload" lastet schwer auf dem militärischen Ideal des schlagkräftigen "action-loop".
Nach Rasch kümmere sich niemand mehr wirklich um die kritische Infrastruktur, bis
eben eine globale Katastrophe eintritt. Und die werde eintreten. Das wurde vor dem 11.
September gesagt. Zwar erschien die Katastrophe in anderer Gestalt, aber im
Mittelpunkt der Kritik steht eine Sicherheitspolitik, die nicht in der Lage war,
die so genannte "Kriegserklärung an die zivilisierte Welt", die bereits der
Krieg ist, zu verhindern. Die Anatomie dieses Kriegs, der von Terroristen Jahre
lang vorbereitet und angekündigt worden war, führt uns in die Untiefen des Netzes.
Der Bankier des Terrors im Dickicht des Netzes
Usama bin Ladin war in
den internationalen Medien als fanatischer Gotteskrieger mit der Kalaschnikow,
"Terrorscheich" und unter unzähligen anderen Bezeichnungen längst als Fleisch
gewordenes Menschheitsübel präsent, bevor er mit dem 11. September endgültig zur Galionsfigur
des globalen Terrorismus aufrückte. Usama bin Ladin wird von der CIA seit langem
verdächtigt, sich der fortgeschrittensten Techniken des Cyberwars zu bedienen, um seinen
Erzfeind USA in die Knie zu zwingen. CIA Director George Tenet hatte Ibn Ladin und seine
Gruppe "Al Qaeda" ("Die Basis") als die herausragende Provokation
amerikanischer Sicherheit bezeichnet. Insbesondere würden bei diesen terroristischen
Akten wie es auch bei anderen terroristische Gruppen wie Hisbollah und Hamas
zu beobachten sei - in immer umfassenderer Weise Geheimmethoden genutzt. Sheik
Ahmed Yassin, der Gründer der militanten Moslemgruppe Hamas gibt ihm Recht: "Wir
werden alle denkbaren Mittel einsetzen, ob Email oder Internet, um den Dschihad
gegen die israelischen Besetzer und ihre Unterstützer zu fördern. Bei uns arbeiten die besten
Köpfe".
The doors of deception
Bereits seit 1995 setzt Usama bin Ladin
nach offizieller Darstellung Verschlüsselungstechniken ein, um Geheimbotschaften und
Einsatzkommandos in seinem terroristischen Netzwerk weltweit zu versenden. Aber seitdem
seine Satellitentelefongespräche abgehört wurden und seine Aktivitäten zeitweise besser
verfolgt werden konnten, soll er sich verstärkt der Steganografie und Kryptografie widmen
(Link4).
Die Steganografie ist eine alte, häufig vom
Militär genutzte Form der Geheimkommunikation, die sich spezifische Materialeigenschaften
zu Nutze macht, um Botschaften - die nicht verschlüsselt sein müssen - zu
verstecken. Bereits Herodot berichtet, wie der Spartaner Demaratus im fünften
Jahrhundert vor Christus den Invasionsplan des Xerxes ermittelte und sein Wissen auf
Holztafeln steganografierte, die mit Wachs überzogen waren, das die offizielle, für
jeden lesbare Nachricht trug. Dieses Verfahren wurde genau so wenig entlarvt wie jener
berühmte "Brief" des Histiaeus von Milet, der in derselben Epoche seine
Botschaft in die Kopfhaut eines Sklaven tätowieren ließ, damit seine Nachricht
unkontrolliert Feindesland durchqueren konnte.
Usama bin Ladins Wahl des passenden Datenträgers
ist aber noch erheblich origineller. Es wird zur Ironie der globalen Topografie des
Netzes, dass der "Heilige Krieg" über Triple-X-Seiten verschiedener
pornografischer Websites geplant und geführt wird. Westliche Pornografie mutiert
unsichtbar zur fundamental-islamistischen Steganografie. Nach Ibn Ladins
Selbstverständnis ist der "Heilige Krieg" notwendig, um die moslemische
Herrschaft über die Welt der Häretiker zu begründen, und Terrorismus rechtfertige sich
aus den minderwertigen moralischen Standards seiner Feinde, Christen und Juden
gleichermaßen. Was liegt also näher, als die beweiskräftigsten Belege moralischer
Verkommenheit, die berüchtigten XXX-Sites zu unerkennbaren Litfasssäulen des
Fundamentalismus zu machen?
Der terroristische Angriffsplan des 11. September
auf die Vereinigten Staaten könnte sich also im unverdächtigen Schlagschatten
eines "unschuldigen" Pornobildchens versteckt haben. Wie funktioniert
das? Jedes digitale Bild besteht aus Bildpunkten. Jeder dieser Bildpunkte wird in
einer mehr oder weniger großen Anzahl von Bits aufgezeichnet. Die meisten Bits enthalten entscheidende
Informationen über Helligkeit und Farbton, aber einige produzieren Nuancen, die
menschlicher Wahrnehmung nicht oder kaum zugänglich sind.
Die Modifikation etwa eines Bildes nach seiner
steganografischen Verwandlung kann also mit bloßem Auge nicht mehr entdeckt werden. Mit
anderen Worten (Link5): Pamela Anderson würde sich nicht wahrnehmbar
verändern, wenn sie unter dem Herzen den Plan des Attentats auf das World Trade
Center trüge. "Es ist großartig" meint Ahmed Jabril, Sprecher der Hisbollah in
London: "Nun ist es möglich einen Vers des Korans oder den Aufruf zum Dschihad zu
versenden, ohne dass Ungläubige wie die Amerikaner es wahrnehmen können."
Cyberterrorismus als Steigbügelhalter staatlicher
Überwachungsgelüste
Mit der Steganografie wird also die
berüchtigte Stecknadel im virtuellen Heuhaufen versteckt, der globale Größe besitzt.
Wenn sich die steganografisch manipulierten Bilder in nichts vom Ferienfoto
unterscheiden, wird es bei der grob geschätzten Zahl von 28 Milliarden Bildern und
zwei Milliarden Websites, die selbstverständlich ständig in horrendem Ausmaß
nachwuchern, nahezu unmöglich, das Böse zu verorten. Das Böse ist ab jetzt "immer
und überall".
Cyberterroristische Netzbewegungen
werden so zur staatlichen Legitimation allgegenwärtiger Zugriffe auf Netznomaden.
Es nimmt nicht Wunder, dass Regierungskritiker FBI, CIA und NSA schon lange
verdächtigen, mit den Szenarien potenzieller Cyberangriffe teure Ausgaben wie etwa die
für die "National Homeland Security Agency" zu rechtfertigen.
Unnachgiebige "Cypherpunks" haben dann auch Usama bin Ladins seltsame Angriffe auf
fremdes Pixelfleisch nur als Versuch der Drei-Buchstaben-Agenturen gewertet, die
immer währende Debatte über die staatliche Begrenzung bzw. Kontrolle von
Verschlüsselungstechniken in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Nach offizieller Darstellung werden die
Botschaften mit Hilfe von freier Verschlüsselungssoftware produziert, die eben von
solchen Gruppen ins Netz gesetzt wird, die sich zu scheinheiligen Anwälten der
Privatheit machen. Dieselben Programme, die das Recht auf Privatheit und informationelle
Selbstbestimmung technologisch Gewähr leisten sollen, sind also angeblich zugleich
geeignet, cyberterroristischen Verschwörungen Vorschub zu leisten.
Cyberhektik nach dem 11. September 2001
Die Militär- und
Verteidigungslogik unbedingter Stärke, einer technologisch garantierten Sicherheit
und immer schnellere Reaktionen haben mit dem traumatischen 11. September erheblich an
Plausibilität verloren. Trotz Satellitenüberwachungen, flächendeckenden
Abhörmaßnahmen und einer organisatorisch hybriden Struktur von Sicherheitsvorkehrungen
wurde dieser Angriff nicht vorhergesehen. Dabei sollen die Vorbereitungen -
Luftfahrtexperten zufolge - über Jahre erfolgt sein, um dieses nur ca. eine Stunde
währende, letale Zeitfenster sperrangelweit zu öffnen.
Bereits wenige Stunden nach dem 11. September hat
das FBI sofort begonnen, das umstrittene E-Mail-Überwachungsprogramm "Carnivore"
einzusetzen (Link6). Hatten sich zuvor Internetprovider geweigert, die
Schnüffelsoftware mit ihren Servern zu verbinden, soll Cyberspace nun umgepflügt werden.
"Carnivore" erkennt in riesigen Mengen von Emails Stichwörter, Absender
und Empfänger und kann so idealtypisch gefährliche Botschaften abfangen.
Auch in Deutschland wurde sofort der Ruf laut, nun extensiv Telefone und
Internetaktivitäten zu überwachen. In Amerika wird jetzt die vormals heiß umkämpfte
Überwachungspraxis gesetzlich mit extensiven Vollmachten ausgestattet. In einer
Novellierung des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) sind etwa sehr viel
längere Überwachungszeiten - bis zu einem Jahr - und staatsanwaltliche Ermächtigungen
ohne richterlichen Beschluss vorgesehen, Unternehmensunterlagen
einschließlich von Kreditkartengesellschaften und Internet-Providern - einsehen zu
dürfen.
Grenzen der Cyberkontrolle
Aber wirksame Cyberkontrollen finden ihre
natürlichen Grenzen nicht nur gegenüber Verschlüsselungsmethoden. Auch etwa Remailer-Systeme
lassen die Herkunft der Botschaften im Datennirwana verschwinden, weil sie wie wild
gewordene Flipperbälle abgeschossen werden.
Die gefährlichste Zeitfalle bildet aber die
Unmasse von verdächtigen Nachrichten. Wenn sich staatliche Gegenmaßnahmen nicht in alle
Richtungen verlieren sollen, müssen die Botschaften letztlich doch von Menschen
äußerst zeitaufwändig evaluiert werden. Keine Kontrollpraxis kann vermeiden, dass
Informationen bei den Überwachungsagenturen zeitverzögert eintreffen. Es
entstehen immer "Todzeiten" (delays), wo doch instantanes,
verzögerungsloses Handeln notwendig wäre. Menschen- und Maschinenzeiten sind längst
nicht mehr kompatibel zu schalten. Aber die Hoffnungen auf eine künstliche Intelligenz,
die über menschliche Geschwindigkeiten hinaus geht, sind gegenwärtig längst noch nicht
einlösbar.
Gegen den staatlichen Informationswildfraß
spricht aber ein weiterer kurioser Umstand asymmetrischer Kriegführung, der daran
zweifeln lässt, dass intensivere staatliche Überwachung die Terroranschläge vermieden
hätte. Mastermind Usama bin Ladin soll längst sein Satellitentelefon beiseite
gelegt haben, selbst nicht mehr über Emails kommunizieren, sondern von der Telekommunikation
wieder zur gemächlichen Steinzeitkommunikation mündlicher Botschaften übergegangen
sein. Duncan Campbell, ein britischer Experte für weltweite Abhörsysteme, relativiert
den Glauben an die terrroristische Verschwörung im Internet. Eher seien die
Kommunikationen in direkter Begegnung oder durch Briefe erfolgt, als im permanent
beobachteten Netz. So mag das Abhörsystem Echelon, das alle über Satelliten
laufende Kommunikation auf Schlüsselwörter untersucht, letztlich die entscheidenden Botschaften
nicht mehr in einen terrroristischen Kontext stellen können. Der Einsatzbefehl
für den 11. September könnte eine banale Mitteilung gewesen sein, die sich von einem
geplanten Rendezvous zweier Liebender nicht mehr unterscheidet.
Das staatliche Verbot von "pretty good
privacy" könnte daher primär Wirtschafts- und Individualinteressen
beeinträchtigen. Dann wären die "evildoers" (So die Diktion von
Präsident Bush) schließlich die Einzigen, die sich diese verbotene Software im
kritischen Fall genehmigen.
Was vorderhand grotesk erscheint, macht klar, dass
die Wahl der Waffen situativ bedingt ist und gegenläufigen Zeitschemata folgt.
"Asymmetrische Kriegführung"
"Asymmetrische Kriegführung"
wurde zum Schlagwort eines Kampfes, der reflektiert, dass hochgerüstete Nationen
nicht in direkter Konfrontation zu besiegen sind. Militärhistorisch wurde die
ausweichende, sich dem Feind nicht stellende, ihn ermüdende Kampfweise, die den "New
War" der Terroristen bestimmt, immer als ein Charakteristikum asiatischer
Kriegsstrategien gesehen. Taktisch entspricht dem der abrupte Wechsel zwischen
verzögerungsloser Hightech-Kommunikation und nur scheinbar anachronistischen Steinzeitmethoden.
Der Anschlag des 11. September bot mehrere dieser
unglaublichen Asymmetrien: Eine kleine Schar von Terroristen bewaffnet sich mit Teppichmessern,
um eine Hochtechnologiezivilisation damit in Mark und Bein zu treffen. Die tödlichen Projektile,
deren Kontaminationen uns noch auf unabsehbare Zeit belasten werden, waren mitnichten
raffinierte Waffensysteme - sondern, um in der grausamen Ironie solcher Gefechtsfelder zu
bleiben: zivile Maschinen.
Bisher verkündete die avancierteste
Militärstreitmacht der Erde ihre Vision einer "full spectrum dominance"
so: "überzeugend im Frieden, entschieden im Krieg, hervorragend in jeder
Konfliktform" (JV 2020) (Link7). Mit diesem politischen, strategischen und
operativen Totalitätsanspruch sollte es eben keine, dem militärischen Einfluss entzogene
Zonen mehr geben. Jeder Feind der westlichen Welt wurde in einer global-virtuellen "no-escape-zone"
verortet ob er sich nun in einer MIG 26 oder im Netz bewegt. Bereits Jean Paul
prophezeite auf Grund unausdenklicher Mordmaschinen Stundenkriege, in denen der
Krieg am Krieg umkomme, seine Vervollkommung zugleich seine Vernichtung sei.
Die Zeit der Kriege schmelze in die Kraft derselben ein.
Es war nicht der geringste Schock des
Terroranschlags, dass dieses Zeitherrschaftsideal mit primitiven Mitteln
unterlaufen werden konnte, die nicht auf Beschleunigung setzen, sondern auf Asymmetrie und
Unsichtbarkeit. Der Unsichtbarkeit in den Datennetzen entspricht die Unsichtbarkeit
in den Höhlen am Hindukusch, die Präsident Bush nun ausräuchern will. Aber der
Panoptismus von Satellitensystemen und Drohnen könnte hier genauso an die Grenzen
seiner Möglichkeiten stoßen wie der totale Überwachungskrieg im Netz.
Semantische Bomben
"Man sollte Kriegsfilme machen, statt Kriege
zu führen" meinte Jean Luc Godard, aber inzwischen führen wieder Krieg
und Terror die Regie über die Schreckensbilder in der Endlosschleife, die unser
Bewusstsein malträtieren.
Informationskriege sind zugleich Bewusstseinskriege:
Nicht nur Wahrnehmungen des Feindes werden Gegenstand der Vermachtung, sondern der
Netzkrieg erweitert sich zum Kampf der Ideen und Ideologien allenfalls ein
Steinwurf weit vom Kampf der Kulturen entfernt. Theoretiker des Infowars sprechen
von semantischen und epistemologischen Angriffen auf die Wahrheit, um sie gegen virtuelle
Realitäten auszutauschen. Mit der Vorgabe "Das Ziel des Netzkriegs ist der
menschliche Geist" leitet sich ein Paradigmenwechsel der Kriegführung
ein, der über den alten Anspruch, die kulturelle, religiöse, moralische, politische und
militärische Minderwertigkeit des Feindes propagandistisch zu behaupteten, weit
hinausgeht.
Das Zeitschema des Informationskriegs präsentiert
sich mithin antinomisch - in seiner Kürze und Unendlichkeit. So mögen
postklassische Kriege auf Grund der avancierten Vernichtungs- und Informationstechnologien
in Stunden geschlagen werden, während der schleichende, unsichtbare Informationskrieg als
"Netz- oder Cyberkrieg", einen potenziell unbegrenzten Zwischenzustand:
einen Kriegsfrieden verheißt. Wenn sich Terroristen nicht der Schlacht stellen,
gibt es keine überschaubaren Schlachtfelder mehr, der Globus zieht sich zu einem einzigen
Schlachtfeld zusammen. Der "Neue Krieg" wird so punktuell wie ubiquitär,
so plötzlich wie nicht endend, so real wie virtuell geführt.
"Asymmetrische Kriegführung"
wurde zum Schlagwort eines Kampfes, der reflektiert, dass hochgerüstete Nationen
nicht in direkter Konfrontation zu besiegen sind. Militärhistorisch wurde die
ausweichende, sich dem Feind nicht stellende, ihn ermüdende Kampfweise, die den "New
War" der Terroristen bestimmt, immer als ein Charakteristikum asiatischer
Kriegsstrategien gesehen. Taktisch entspricht dem der abrupte Wechsel zwischen
verzögerungsloser Hightech-Kommunikation und nur scheinbar anachronistischen Steinzeitmethoden.
Der Anschlag des 11. September bot mehrere dieser
unglaublichen Asymmetrien: Eine kleine Schar von Terroristen bewaffnet sich mit Teppichmessern,
um eine Hochtechnologiezivilisation damit in Mark und Bein zu treffen. Die tödlichen Projektile,
deren Kontaminationen uns noch auf unabsehbare Zeit belasten werden, waren mitnichten
raffinierte Waffensysteme - sondern, um in der grausamen Ironie solcher Gefechtsfelder zu
bleiben: zivile Maschinen.
Bisher verkündete die avancierteste
Militärstreitmacht der Erde ihre Vision einer "full spectrum dominance"
so: "überzeugend im Frieden, entschieden im Krieg, hervorragend in jeder
Konfliktform" (JV 2020) (Link7). Mit diesem politischen, strategischen und
operativen Totalitätsanspruch sollte es eben keine, dem militärischen Einfluss entzogene
Zonen mehr geben. Jeder Feind der westlichen Welt wurde in einer global-virtuellen "no-escape-zone"
verortet ob er sich nun in einer MIG 26 oder im Netz bewegt. Bereits Jean Paul
prophezeite auf Grund unausdenklicher Mordmaschinen Stundenkriege, in denen der
Krieg am Krieg umkomme, seine Vervollkommung zugleich seine Vernichtung sei.
Die Zeit der Kriege schmelze in die Kraft derselben ein.
Es war nicht der geringste Schock des
Terroranschlags, dass dieses Zeitherrschaftsideal mit primitiven Mitteln
unterlaufen werden konnte, die nicht auf Beschleunigung setzen, sondern auf Asymmetrie und
Unsichtbarkeit. Der Unsichtbarkeit in den Datennetzen entspricht die Unsichtbarkeit
in den Höhlen am Hindukusch, die Präsident Bush nun ausräuchern will. Aber der
Panoptismus von Satellitensystemen und Drohnen könnte hier genauso an die Grenzen
seiner Möglichkeiten stoßen wie der totale Überwachungskrieg im Netz.
Semantische Bomben
"Man sollte Kriegsfilme machen, statt Kriege
zu führen" meinte Jean Luc Godard, aber inzwischen führen wieder Krieg
und Terror die Regie über die Schreckensbilder in der Endlosschleife, die unser
Bewusstsein malträtieren.
Informationskriege sind zugleich Bewusstseinskriege:
Nicht nur Wahrnehmungen des Feindes werden Gegenstand der Vermachtung, sondern der
Netzkrieg erweitert sich zum Kampf der Ideen und Ideologien allenfalls ein
Steinwurf weit vom Kampf der Kulturen entfernt. Theoretiker des Infowars sprechen
von semantischen und epistemologischen Angriffen auf die Wahrheit, um sie gegen virtuelle
Realitäten auszutauschen. Mit der Vorgabe "Das Ziel des Netzkriegs ist der
menschliche Geist" leitet sich ein Paradigmenwechsel der Kriegführung
ein, der über den alten Anspruch, die kulturelle, religiöse, moralische, politische und
militärische Minderwertigkeit des Feindes propagandistisch zu behaupteten, weit
hinausgeht.
Das Zeitschema des Informationskriegs präsentiert
sich mithin antinomisch - in seiner Kürze und Unendlichkeit. So mögen
postklassische Kriege auf Grund der avancierten Vernichtungs- und Informationstechnologien
in Stunden geschlagen werden, während der schleichende, unsichtbare Informationskrieg als
"Netz- oder Cyberkrieg", einen potenziell unbegrenzten Zwischenzustand:
einen Kriegsfrieden verheißt. Wenn sich Terroristen nicht der Schlacht stellen,
gibt es keine überschaubaren Schlachtfelder mehr, der Globus zieht sich zu einem einzigen
Schlachtfeld zusammen. Der "Neue Krieg" wird so punktuell wie ubiquitär,
so plötzlich wie nicht endend, so real wie virtuell geführt. "Asymmetrische Kriegführung"
wurde zum Schlagwort eines Kampfes, der reflektiert, dass hochgerüstete Nationen
nicht in direkter Konfrontation zu besiegen sind. Militärhistorisch wurde die
ausweichende, sich dem Feind nicht stellende, ihn ermüdende Kampfweise, die den "New
War" der Terroristen bestimmt, immer als ein Charakteristikum asiatischer
Kriegsstrategien gesehen. Taktisch entspricht dem der abrupte Wechsel zwischen
verzögerungsloser Hightech-Kommunikation und nur scheinbar anachronistischen Steinzeitmethoden.
Der Anschlag des 11. September bot mehrere dieser
unglaublichen Asymmetrien: Eine kleine Schar von Terroristen bewaffnet sich mit Teppichmessern,
um eine Hochtechnologiezivilisation damit in Mark und Bein zu treffen. Die tödlichen Projektile,
deren Kontaminationen uns noch auf unabsehbare Zeit belasten werden, waren mitnichten
raffinierte Waffensysteme - sondern, um in der grausamen Ironie solcher Gefechtsfelder zu
bleiben: zivile Maschinen.
Bisher verkündete die avancierteste
Militärstreitmacht der Erde ihre Vision einer "full spectrum dominance"
so: "überzeugend im Frieden, entschieden im Krieg, hervorragend in jeder
Konfliktform" (JV 2020) (Link7). Mit diesem politischen, strategischen und
operativen Totalitätsanspruch sollte es eben keine, dem militärischen Einfluss entzogene
Zonen mehr geben. Jeder Feind der westlichen Welt wurde in einer global-virtuellen "no-escape-zone"
verortet ob er sich nun in einer MIG 26 oder im Netz bewegt. Bereits Jean Paul
prophezeite auf Grund unausdenklicher Mordmaschinen Stundenkriege, in denen der
Krieg am Krieg umkomme, seine Vervollkommung zugleich seine Vernichtung sei.
Die Zeit der Kriege schmelze in die Kraft derselben ein.
Es war nicht der geringste Schock des
Terroranschlags, dass dieses Zeitherrschaftsideal mit primitiven Mitteln
unterlaufen werden konnte, die nicht auf Beschleunigung setzen, sondern auf Asymmetrie und
Unsichtbarkeit. Der Unsichtbarkeit in den Datennetzen entspricht die Unsichtbarkeit
in den Höhlen am Hindukusch, die Präsident Bush nun ausräuchern will. Aber der
Panoptismus von Satellitensystemen und Drohnen könnte hier genauso an die Grenzen
seiner Möglichkeiten stoßen wie der totale Überwachungskrieg im Netz.
Semantische Bomben
"Man sollte Kriegsfilme machen, statt Kriege
zu führen" meinte Jean Luc Godard, aber inzwischen führen wieder Krieg
und Terror die Regie über die Schreckensbilder in der Endlosschleife, die unser
Bewusstsein malträtieren.
Informationskriege sind zugleich Bewusstseinskriege:
Nicht nur Wahrnehmungen des Feindes werden Gegenstand der Vermachtung, sondern der
Netzkrieg erweitert sich zum Kampf der Ideen und Ideologien allenfalls ein
Steinwurf weit vom Kampf der Kulturen entfernt. Theoretiker des Infowars sprechen
von semantischen und epistemologischen Angriffen auf die Wahrheit, um sie gegen virtuelle
Realitäten auszutauschen. Mit der Vorgabe "Das Ziel des Netzkriegs ist der
menschliche Geist" leitet sich ein Paradigmenwechsel der Kriegführung
ein, der über den alten Anspruch, die kulturelle, religiöse, moralische, politische und
militärische Minderwertigkeit des Feindes propagandistisch zu behaupteten, weit
hinausgeht.
Das Zeitschema des Informationskriegs präsentiert
sich mithin antinomisch - in seiner Kürze und Unendlichkeit. So mögen
postklassische Kriege auf Grund der avancierten Vernichtungs- und Informationstechnologien
in Stunden geschlagen werden, während der schleichende, unsichtbare Informationskrieg als
"Netz- oder Cyberkrieg", einen potenziell unbegrenzten Zwischenzustand:
einen Kriegsfrieden verheißt. Wenn sich Terroristen nicht der Schlacht stellen,
gibt es keine überschaubaren Schlachtfelder mehr, der Globus zieht sich zu einem einzigen
Schlachtfeld zusammen. Der "Neue Krieg" wird so punktuell wie ubiquitär,
so plötzlich wie nicht endend, so real wie virtuell geführt. "Asymmetrische Kriegführung"
wurde zum Schlagwort eines Kampfes, der reflektiert, dass hochgerüstete Nationen
nicht in direkter Konfrontation zu besiegen sind. Militärhistorisch wurde die
ausweichende, sich dem Feind nicht stellende, ihn ermüdende Kampfweise, die den "New
War" der Terroristen bestimmt, immer als ein Charakteristikum asiatischer
Kriegsstrategien gesehen. Taktisch entspricht dem der abrupte Wechsel zwischen
verzögerungsloser Hightech-Kommunikation und nur scheinbar anachronistischen Steinzeitmethoden.
Der Anschlag des 11. September bot mehrere dieser
unglaublichen Asymmetrien: Eine kleine Schar von Terroristen bewaffnet sich mit Teppichmessern,
um eine Hochtechnologiezivilisation damit in Mark und Bein zu treffen. Die tödlichen Projektile,
deren Kontaminationen uns noch auf unabsehbare Zeit belasten werden, waren mitnichten
raffinierte Waffensysteme - sondern, um in der grausamen Ironie solcher Gefechtsfelder zu
bleiben: zivile Maschinen.
Bisher verkündete die avancierteste
Militärstreitmacht der Erde ihre Vision einer "full spectrum dominance"
so: "überzeugend im Frieden, entschieden im Krieg, hervorragend in jeder
Konfliktform" (JV 2020) (Link7). Mit diesem politischen, strategischen und
operativen Totalitätsanspruch sollte es eben keine, dem militärischen Einfluss entzogene
Zonen mehr geben. Jeder Feind der westlichen Welt wurde in einer global-virtuellen "no-escape-zone"
verortet ob er sich nun in einer MIG 26 oder im Netz bewegt. Bereits Jean Paul
prophezeite auf Grund unausdenklicher Mordmaschinen Stundenkriege, in denen der
Krieg am Krieg umkomme, seine Vervollkommung zugleich seine Vernichtung sei.
Die Zeit der Kriege schmelze in die Kraft derselben ein.
Es war nicht der geringste Schock des
Terroranschlags, dass dieses Zeitherrschaftsideal mit primitiven Mitteln
unterlaufen werden konnte, die nicht auf Beschleunigung setzen, sondern auf Asymmetrie und
Unsichtbarkeit. Der Unsichtbarkeit in den Datennetzen entspricht die Unsichtbarkeit
in den Höhlen am Hindukusch, die Präsident Bush nun ausräuchern will. Aber der
Panoptismus von Satellitensystemen und Drohnen könnte hier genauso an die Grenzen
seiner Möglichkeiten stoßen wie der totale Überwachungskrieg im Netz.
Semantische Bomben
"Man sollte Kriegsfilme machen, statt Kriege
zu führen" meinte Jean Luc Godard, aber inzwischen führen wieder Krieg
und Terror die Regie über die Schreckensbilder in der Endlosschleife, die unser
Bewusstsein malträtieren.
Informationskriege sind zugleich Bewusstseinskriege:
Nicht nur Wahrnehmungen des Feindes werden Gegenstand der Vermachtung, sondern der
Netzkrieg erweitert sich zum Kampf der Ideen und Ideologien allenfalls ein
Steinwurf weit vom Kampf der Kulturen entfernt. Theoretiker des Infowars sprechen
von semantischen und epistemologischen Angriffen auf die Wahrheit, um sie gegen virtuelle
Realitäten auszutauschen. Mit der Vorgabe "Das Ziel des Netzkriegs ist der
menschliche Geist" leitet sich ein Paradigmenwechsel der Kriegführung
ein, der über den alten Anspruch, die kulturelle, religiöse, moralische, politische und
militärische Minderwertigkeit des Feindes propagandistisch zu behaupteten, weit
hinausgeht.
Das Zeitschema des Informationskriegs präsentiert
sich mithin antinomisch - in seiner Kürze und Unendlichkeit. So mögen
postklassische Kriege auf Grund der avancierten Vernichtungs- und Informationstechnologien
in Stunden geschlagen werden, während der schleichende, unsichtbare Informationskrieg als
"Netz- oder Cyberkrieg", einen potenziell unbegrenzten Zwischenzustand:
einen Kriegsfrieden verheißt. Wenn sich Terroristen nicht der Schlacht stellen,
gibt es keine überschaubaren Schlachtfelder mehr, der Globus zieht sich zu einem einzigen
Schlachtfeld zusammen. Der "Neue Krieg" wird so punktuell wie ubiquitär,
so plötzlich wie nicht endend, so real wie virtuell geführt. "Asymmetrische Kriegführung"
wurde zum Schlagwort eines Kampfes, der reflektiert, dass hochgerüstete Nationen
nicht in direkter Konfrontation zu besiegen sind. Militärhistorisch wurde die
ausweichende, sich dem Feind nicht stellende, ihn ermüdende Kampfweise, die den "New
War" der Terroristen bestimmt, immer als ein Charakteristikum asiatischer
Kriegsstrategien gesehen. Taktisch entspricht dem der abrupte Wechsel zwischen
verzögerungsloser Hightech-Kommunikation und nur scheinbar anachronistischen Steinzeitmethoden.
Der Anschlag des 11. September bot mehrere dieser
unglaublichen Asymmetrien: Eine kleine Schar von Terroristen bewaffnet sich mit Teppichmessern,
um eine Hochtechnologiezivilisation damit in Mark und Bein zu treffen. Die tödlichen Projektile,
deren Kontaminationen uns noch auf unabsehbare Zeit belasten werden, waren mitnichten
raffinierte Waffensysteme - sondern, um in der grausamen Ironie solcher Gefechtsfelder zu
bleiben: zivile Maschinen.
Bisher verkündete die avancierteste
Militärstreitmacht der Erde ihre Vision einer "full spectrum dominance"
so: "überzeugend im Frieden, entschieden im Krieg, hervorragend in jeder
Konfliktform" (JV 2020) (Link7). Mit diesem politischen, strategischen und
operativen Totalitätsanspruch sollte es eben keine, dem militärischen Einfluss entzogene
Zonen mehr geben. Jeder Feind der westlichen Welt wurde in einer global-virtuellen "no-escape-zone"
verortet ob er sich nun in einer MIG 26 oder im Netz bewegt. Bereits Jean Paul
prophezeite auf Grund unausdenklicher Mordmaschinen Stundenkriege, in denen der
Krieg am Krieg umkomme, seine Vervollkommung zugleich seine Vernichtung sei.
Die Zeit der Kriege schmelze in die Kraft derselben ein.
Es war nicht der geringste Schock des
Terroranschlags, dass dieses Zeitherrschaftsideal mit primitiven Mitteln
unterlaufen werden konnte, die nicht auf Beschleunigung setzen, sondern auf Asymmetrie und
Unsichtbarkeit. Der Unsichtbarkeit in den Datennetzen entspricht die Unsichtbarkeit
in den Höhlen am Hindukusch, die Präsident Bush nun ausräuchern will. Aber der
Panoptismus von Satellitensystemen und Drohnen könnte hier genauso an die Grenzen
seiner Möglichkeiten stoßen wie der totale Überwachungskrieg im Netz.
Semantische Bomben
"Man sollte Kriegsfilme machen, statt Kriege
zu führen" meinte Jean Luc Godard, aber inzwischen führen wieder Krieg
und Terror die Regie über die Schreckensbilder in der Endlosschleife, die unser
Bewusstsein malträtieren.
Informationskriege sind zugleich Bewusstseinskriege:
Nicht nur Wahrnehmungen des Feindes werden Gegenstand der Vermachtung, sondern der
Netzkrieg erweitert sich zum Kampf der Ideen und Ideologien allenfalls ein
Steinwurf weit vom Kampf der Kulturen entfernt. Theoretiker des Infowars sprechen
von semantischen und epistemologischen Angriffen auf die Wahrheit, um sie gegen virtuelle
Realitäten auszutauschen. Mit der Vorgabe "Das Ziel des Netzkriegs ist der
menschliche Geist" leitet sich ein Paradigmenwechsel der Kriegführung
ein, der über den alten Anspruch, die kulturelle, religiöse, moralische, politische und
militärische Minderwertigkeit des Feindes propagandistisch zu behaupteten, weit
hinausgeht.
Das Zeitschema des Informationskriegs präsentiert
sich mithin antinomisch - in seiner Kürze und Unendlichkeit. So mögen
postklassische Kriege auf Grund der avancierten Vernichtungs- und Informationstechnologien
in Stunden geschlagen werden, während der schleichende, unsichtbare Informationskrieg als
"Netz- oder Cyberkrieg", einen potenziell unbegrenzten Zwischenzustand:
einen Kriegsfrieden verheißt. Wenn sich Terroristen nicht der Schlacht stellen,
gibt es keine überschaubaren Schlachtfelder mehr, der Globus zieht sich zu einem einzigen
Schlachtfeld zusammen. Der "Neue Krieg" wird so punktuell wie ubiquitär,
so plötzlich wie nicht endend, so real wie virtuell geführt. "Asymmetrische Kriegführung"
wurde zum Schlagwort eines Kampfes, der reflektiert, dass hochgerüstete Nationen
nicht in direkter Konfrontation zu besiegen sind. Militärhistorisch wurde die
ausweichende, sich dem Feind nicht stellende, ihn ermüdende Kampfweise, die den "New
War" der Terroristen bestimmt, immer als ein Charakteristikum asiatischer
Kriegsstrategien gesehen. Taktisch entspricht dem der abrupte Wechsel zwischen
verzögerungsloser Hightech-Kommunikation und nur scheinbar anachronistischen Steinzeitmethoden.
Der Anschlag des 11. September bot mehrere dieser
unglaublichen Asymmetrien: Eine kleine Schar von Terroristen bewaffnet sich mit Teppichmessern,
um eine Hochtechnologiezivilisation damit in Mark und Bein zu treffen. Die tödlichen Projektile,
deren Kontaminationen uns noch auf unabsehbare Zeit belasten werden, waren mitnichten
raffinierte Waffensysteme - sondern, um in der grausamen Ironie solcher Gefechtsfelder zu
bleiben: zivile Maschinen.
Bisher verkündete die avancierteste
Militärstreitmacht der Erde ihre Vision einer "full spectrum dominance"
so: "überzeugend im Frieden, entschieden im Krieg, hervorragend in jeder
Konfliktform" (JV 2020) (Link7). Mit diesem politischen, strategischen und
operativen Totalitätsanspruch sollte es eben keine, dem militärischen Einfluss entzogene
Zonen mehr geben. Jeder Feind der westlichen Welt wurde in einer global-virtuellen "no-escape-zone"
verortet ob er sich nun in einer MIG 26 oder im Netz bewegt. Bereits Jean Paul
prophezeite auf Grund unausdenklicher Mordmaschinen Stundenkriege, in denen der
Krieg am Krieg umkomme, seine Vervollkommung zugleich seine Vernichtung sei.
Die Zeit der Kriege schmelze in die Kraft derselben ein.
Es war nicht der geringste Schock des
Terroranschlags, dass dieses Zeitherrschaftsideal mit primitiven Mitteln
unterlaufen werden konnte, die nicht auf Beschleunigung setzen, sondern auf Asymmetrie und
Unsichtbarkeit. Der Unsichtbarkeit in den Datennetzen entspricht die Unsichtbarkeit
in den Höhlen am Hindukusch, die Präsident Bush nun ausräuchern will. Aber der
Panoptismus von Satellitensystemen und Drohnen könnte hier genauso an die Grenzen
seiner Möglichkeiten stoßen wie der totale Überwachungskrieg im Netz.
Semantische Bomben
"Man sollte Kriegsfilme machen, statt Kriege
zu führen" meinte Jean Luc Godard, aber inzwischen führen wieder Krieg
und Terror die Regie über die Schreckensbilder in der Endlosschleife, die unser
Bewusstsein malträtieren.
Informationskriege sind zugleich Bewusstseinskriege:
Nicht nur Wahrnehmungen des Feindes werden Gegenstand der Vermachtung, sondern der
Netzkrieg erweitert sich zum Kampf der Ideen und Ideologien allenfalls ein
Steinwurf weit vom Kampf der Kulturen entfernt. Theoretiker des Infowars sprechen
von semantischen und epistemologischen Angriffen auf die Wahrheit, um sie gegen virtuelle
Realitäten auszutauschen. Mit der Vorgabe "Das Ziel des Netzkriegs ist der
menschliche Geist" leitet sich ein Paradigmenwechsel der Kriegführung
ein, der über den alten Anspruch, die kulturelle, religiöse, moralische, politische und
militärische Minderwertigkeit des Feindes propagandistisch zu behaupteten, weit
hinausgeht.
Das Zeitschema des Informationskriegs präsentiert
sich mithin antinomisch - in seiner Kürze und Unendlichkeit. So mögen
postklassische Kriege auf Grund der avancierten Vernichtungs- und Informationstechnologien
in Stunden geschlagen werden, während der schleichende, unsichtbare Informationskrieg als
"Netz- oder Cyberkrieg", einen potenziell unbegrenzten Zwischenzustand:
einen Kriegsfrieden verheißt. Wenn sich Terroristen nicht der Schlacht stellen,
gibt es keine überschaubaren Schlachtfelder mehr, der Globus zieht sich zu einem einzigen
Schlachtfeld zusammen. Der "Neue Krieg" wird so punktuell wie ubiquitär,
so plötzlich wie nicht endend, so real wie virtuell geführt. "Asymmetrische Kriegführung"
wurde zum Schlagwort eines Kampfes, der reflektiert, dass hochgerüstete Nationen
nicht in direkter Konfrontation zu besiegen sind. Militärhistorisch wurde die
ausweichende, sich dem Feind nicht stellende, ihn ermüdende Kampfweise, die den "New
War" der Terroristen bestimmt, immer als ein Charakteristikum asiatischer
Kriegsstrategien gesehen. Taktisch entspricht dem der abrupte Wechsel zwischen
verzögerungsloser Hightech-Kommunikation und nur scheinbar anachronistischen Steinzeitmethoden.
Schon jetzt verseucht der Terror
das Selbstverständnis westlicher Gesellschaften so nachhaltig, dass die perverse
Kalkulation der Attentäter aufgehen könnte, den Kampf der Religionen, den Krieg der
Kulturen, einen "Bruchlinienkrieg" (So der Terminus von Samuel P.
Huntington) zwischen Christen und Muslimen auszulösen. Die Täter des 11. September haben
sich nicht erklärt, aber das vermeintlich "Unfassbare" ist zweifelsohne so
aufzufassen, dass die Mörder zugleich einen semantischen Krieg führen, um den siegreichen
Aufstand der islamischen Welt gegen Amerika zu provozieren.
Mit den Angriffen auf das World Trade Center und
das Pentagon sollten nicht allein Menschen vernichtet werden, sondern die Wahrzeichen
wirtschaftlicher und militärischer Macht Amerikas. Das Pentagon gilt den Feinden der USA
seit Anbeginn als die verhasste Ikone des amerikanischen Militärimperialismus.
Die Rhetorik des amerikanischen Gegenschlags hat die symbolischen Momente des blutigen
Terrors nicht zum Anlass genommen, den Konflikt zu deeskalieren, zu zivilisieren oder zu
entschleunigen. Statt dessen reagierte man regressiv bis alttestamentarisch, um so
die "Bruchlinie" zwischen den Kulturen gefährlich strapazieren.
Der republikanische Abgeordnete Charles Norwoord aus Georgia verkündete etwa: "Wir
kommen euch holen, und mit uns kommt die Wut der Hölle." Der republikanische
Senator John McCain kennt nur noch Rache: "Unseren Feinden sage ich: Wir kommen.
Möge Gott euch gnädig sein, wir sind es nicht." Usama bin Ladin rief demgemäß
folgerichtig die muslimischen Brüder in Pakistan mit einer im Netz kursierenden Botschaft
auf, mit allen Mitteln der Invasion amerikanischer "Kreuzzugstruppen"
zu widerstehen. Nach offiziellen Beschwichtigungen findet der Kampf der Kulturen nicht
statt. Aber die Entwicklungen in Afghanistan, Pakistan, Indonesien und diversen arabischen
Staaten sind kaum geeignet, dieses globale Schreckensszenario auszuschließen.
Medienkriege
Amerikanische Militärs haben den
Golfkrieg von 1991 als ersten echten Weltkrieg bezeichnet. Die beiden so genannten
Weltkriege seien letztlich doch nur Feldzüge an verstreuten Plätzen des Globus gewesen
seien, während die Echtzeitübertragung weltumspannender Satelliten den Krieg
sowohl für das Militär als auch für die Öffentlichkeit - in eine Zeit gebannt
hätten: Die Weltzeit.
Unklar bleibt aber, welche
gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen sich mit dem historischen Auftritt einer "Weltechtzeit"
verbinden. Apokalyptiker wie Paul Virilio vermuteten seinerzeit, dass sich der Schock
der Echtzeitwahrnehmung zu weltbürgerkriegsartigen Katastrophen verdichten könnte,
die den Globus in ein gigantisches Brüsseler Heyssel-Stadion verwandeln. Demgemäß haben
die Bilder des 11. September Angst und Panik nicht besänftigt, sondern den imaginären
Schrecken weit über das Reale hinaus bis hin zu den Pandämonien eines dritten
Weltkriegs, Endzeitschlachten, Armageddon und Dschihad provoziert.
Die militärisch gesteuerte Echtzeitberichterstattung
des Golfkriegs, die CNN-Techno-Bilder anästhetisierten damals das kritische Bewusstsein
der Weltöffentlichkeit und entdramatisierten den eiligen Krieg der Amerikaner
gegen den heiligen Krieg Saddam Husseins. Das Mediendesaster von Vietnam, das die
kritische Öffentlichkeit des Westens auf den Straßen mobilisierte, sollte nicht
wiederholt werden. Längst wussten Militärstrategen wie Colin Powell, dass Kriege
nicht nur auf Schlachtfeldern, sondern - vielleicht mehr noch - in den Medien zu
gewinnen sind.
Was gleichwohl als eine "Schlacht der
Lügen" bezeichnet wurde, soll amerikanischen Ankündigungen nach im neuen
Antiterrorkrieg noch weiter entschärft werden. Präsident Bush hat die
Informationspolitik dieses Kriegs bereits klar konturiert: "Dramatische Schläge,
die man im Fernsehen sehen wird, aber auch so verdeckte Operationen, dass selbst ihr
Erfolg ein Geheimnis bleibt." Hinter dem Echtzeitkino des vermeintlich Realen
verstecken sich lang währende Manöver. Nach der Mediendoktrin dieses Kriegs
führt der Weg die Öffentlichkeit zuerst in ein Desinformationstheater und anschließend
in das Informationsabseits.
Da die Herrschaftsform des Infokrieges die
Zeit eben nicht nur in der heißen Phase, sondern jede Zeit dominieren will, werden
Geschichte, Gedächtnis, Bewusstsein, mit einem Wort: alle menschlichen Widerstände gegen
die staatliche Informationsüberlegenheit überall und jederzeit taugliche
Angriffsobjekte. Politisch wie militärische Zeitherrschaft ist danach nicht nur die
Herrschaft über strategisch, operativ oder taktisch relevante Zeiten, sondern
idealtypisch die Herrschaft über alle zukünftigen Zeiten, in denen sich
Gesellschaften, Kulturen und Individuen bilden.
Die Angst der nationalen Globokrieger vor weiteren
Anschlägen diktiert den neuen rechtsstaatlichen Umgang mit Information. Prophylaxe,
Prävention, aber auch die in Amerika weiterhin proklamierte Vergeltung sind
nur möglich, wenn die gesichtslosen Terroristen so desinformiert bleiben wie die
Öffentlichkeit. Das Pentagon hat das kommende Szenario so erläutert: Terrororganisationen
verfügen nicht wie Nationen über effektive nachrichtendienstlichen Kapazitäten. Sie
sind auf öffentlich zugängliche Nachrichten angewiesen, um die Schachzüge des
Gegners zu erkennen. Das amerikanische Verteidigungsministerium hat dem gemäß
angekündigt, dass Amerikas "New War" mit einer noch nie da gewesenen
Verschwiegenheit geführt wird, der auch massive Internet- und Pressebeschränkungen
folgen werden. Die von Bush propagierten unsichtbaren Schlachten werden nicht nur gegen
Terroristen geführt, sondern konfligieren fundamental zugleich mit den klassischen Informationsansprüchen
der westlichen Öffentlichkeiten, wie auch mit anderen - über Jahrhunderte gegen den
Staat erkämpften - Bürgerrechten. Wenn aber das komplexe Gefüge von Staatsräson und
bürgerlichen Abwehrrechten nicht so einstürzen soll wie die Türme des World Trade
Center, darf die totale Gerechtigkeit den Ausnahmezustand des gerechten Kriegs
nicht zum zivilgesellschaftlichen Regelfall pervertieren. "Silent leges inter
arma" (Im Waffenlärm schweigen die Gesetze) beschrieb Cicero die
Zwischenzeit des Krieges. Aber der Feldzug - der zunächst "Infinite Justice",
unendliche Gerechtigkeit hieß, und damit wohl das "Jüngste Gericht" vor der
Zeit einleiten sollte - wird als lang-, wenn nicht immerwährender Krieg geführt.
Gesetzes- und Rechtsprechungsvorbehalte könnten demnächst durch den Kriegsvorbehalt ersetzt
werden. Kritiker befürchten, dass wir erst jetzt in das Zeitalter der Überwachung
eintreten. Was Orwell für 1984 erklärte, könnte nach einem amerikanischen
Militärexperten ein Kindergarten gegenüber dem sein, was jetzt bevor steht.
Mit diesem neuen Kriegsdesign wird
deutlich, dass der verfemte Totalitarismus des Krieges viel weiter reicht als die nur
vorüber gehende Unterordnung aller gesellschaftlichen Kräfte unter den
Siegeswillen. Überlegene Informationsherrscher werden in Zukunft diesen
unheimlichen Befund - der Strategie dieser Kriegsform folgend - dissimulieren können:
"Bella gerunt alii (Andere führen Krieg)- wir informieren!"
Cyberblitzkrieg
Aber die Informationsinszenierung "ad
usum delfini", die im Golf so erfolgreich war, stößt jetzt auf ein anders geartetes
Kommunikationsfeld. Vor zehn Jahren prägte das massenmediale Wahrheitsparadox
die Informationspolitik. Niklas Luhmann hat das so formuliert: "Wie ist es möglich,
Informationen über die Welt und über die Gesellschaft als Informationen über die
Realität zu akzeptieren, wenn man weiß, wie sie produziert werden?" Der Glaube an
eine unhintergehbare Basisstation der Wahrheit, an eine wirkliche Wirklichkeit,
wird damit unwiderruflich verlassen.
Aber die Achse zwischen einem nichtssagenden
Generalstab und ebenso nichtssagenden Bildern von Informationsherrschern wie CNN setzt
eine Kommunikationswirklichkeit voraus, die tendenziell durch Massenmedien
hierarchisch und einseitig gesteuert werden kann. Generäle, aber wahrscheinlich auch
Politiker neigen dazu, den letzten Krieg zu wiederholen. Allein gilt, dass man es diesmal
noch besser machen will, als in jenen heißen Tagen am Golf. Aber der große Experimentator
Krieg spielt da selten mit. In einer vernetzten Kommunikationswirklichkeit
relativieren sich die alten Spielregeln einseitiger Empfänger-Sender-Verhältnisse. In
der Offenheit des Netzes trifft man auf eine digitale Mentalität, die sich
erheblich besser der Überformung durch staatliche Gleichschaltungsversuche entziehen
kann. Das erwies sich bereits bei den Gipfelstürmen der Globalisierungskritiker,
die zuletzt ein Paradox darin sehen, sich global zu vernetzen und global zu kämpfen. In
Peer-to-Peer-Kommunikationen, also Verständigungen von Akteuren, die Informationen
empfangen, aber auch ständig selbst generieren, hat sich längst ein heterarchisches
Netz mit nicht absehbaren Folgen für die Konstruktion von Öffentlichkeit gebildet. CNN
erlebte diesen medialen Strukturwandel kurz nach den schrecklichen Ereignissen
besonders drastisch (Link8). Der Sender hatte Bilder von Jubelpalästinensern
gezeigt, die den Schrecken als gerechten Angriff auf Amerika feierten. Der in einem
brasilianischen Chatroom - kurz danach erhobene Zweifel an der Authentizität der
Bilder verwandelte sich blitzartig in eine globale Springflut von
Anschuldigungen gegen die früheren Hofberichterstatter des Golfkriegs. Die Redaktion
wurde mit unzähligen Emails beschossen, die "netizens" (Netzbürger)
empörten sich und selbst gefälschte CNN-Websites wurden in das Netz gestellt. Der
Rückgriff auf diese oder jene Wahrheit dürfte gegenüber dem historisch neuen Medienpotential
sekundär werden, das CNN - wütend bis ungläubig - von Cyberterrorismus und dem
gezielten Einsatz des "Internets als Waffe" sprechen ließ.
Anonymer Feigling
Im Netz brachen kurz nach dem realen Terror
aber an vielen Orten die virtuellen Schlachten los. Wie immer bei Konflikten in der
Ausgangswirklichkeit schlug die Stunde des "Hacker-Warfare", um fremde
Codierungen anzugreifen. Diese "weiche" Kriegsform der Kinder von Lara Croft und
Quake 3 stützt sich auf die Sensibilität von fremden Informationsräumen, deren
Interaktivität zum schlecht geschützten Einfallstor wird. Das Arsenal elektronischer Kriegführung
ist inzwischen reichhaltig: Viren, Würmer, trojanische Pferde, Zeit- und
Bedingungsbomben, DoS (Denial of Service)-Attacken legen Server, Websites oder
Email-Kommunikationen lahm.
In Cyberspace gilt das staatliche Gewaltmonopol
nicht. Überschaubare Frontlinien lösen sich auf, weil das Netz eine heterogen in sich
zerstrittene Öffentlichkeit bis hin zur Anarchie von Cyberterroristen und
Einzelkämpfern präsentiert. Bei dieser Art von Krieg werden die völkerrechtlichen
Normen der Kriegführung außer Kraft gesetzt: Der "Soldat kann sich verbergen, aber
er darf nicht die Tatsache verbergen, dass er ein Soldat ist." Diese Unterscheidung
von Kombattanten und Nicht-Kombattanten greift beim Krieg in den Datennetzen ins
Leere.
Die ersten namenlosen Cyberblitzangriffe
nach den realen Attacken richteten sich auf muslimische Internet-Seiten. Die offizielle
Regierungsseite "Taliban.com" wurde frühzeitig abgeschossen und zeitweise
befürchtete man, die Internet-Kommunikation in arabischen Ländern käme völlig zum
Erliegen. Racheaufrufe kreisten, alle über das Internet erreichbaren arabischen
Kommunikationssysteme sofort zu zerschlagen. Welche Unwägbarkeiten die Digitalvigilanten
verursachen, wurde besonders deutlich, als selbst von Amerikanern publizierte
Informationsseiten über Afghanistan wie etwa "Afghan News Network" im
übereiligen Krieg torpediert wurden. "Afghan Politics" wurde so massiv mit
Hass-Mail-Bombardements belegt, dass der - zu Schul- und Forschungszwecken betriebene -
Dienst seine Webpräsenz entnervt aufgab. Der Chaos-Computer-Club machte seinem
Namen Gottlob! - keine Ehre, als er die schäumenden Netzkrieger aufrief, das Datensperrfeuer
sofort einzustellen. CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn appellierte an Völkerverständigung
und Informationsfrieden. Zahlreiche Online-Petitionen an die amerikanische
Regierung folgten, Terror nicht mit Rache zu erwidern. Nun dürften solche Appelle eine
ähnliche Bedeutung haben wie die Infopeace-Deklaration von 1999, der sich diverse
Hackervereinigungen anschlossen, um "Hacking" als Instrument der Kriegführung
zu ächten. Die Protagonisten von Cyberspace haben seit je ihr virtuelles Territorium
als den friedlichen Platz einer besseren Welt propagiert, ohne indes ihre Hoffnung mit den
Rückkopplungen der "wirklichen Wirklichkeit" leicht harmonisieren zu können.

Virtuelle Friedensregelungen, eine "Hacker-Landkriegsordnung"
reichen in einem imaginären Territorium ohne echte Territorialgewalt nicht allzu weit. Cyberkrieger
sind oft keinem Staat, keiner politischen Gruppe und nicht einmal dem Kriegssold
verpflichtet. "Anonymer Feigling" nannte sich selbstironisch, aber dem
Status solcher Einzelkämpfer durchaus angemessen, einer der einsamen Rächer für
die kurz zuvor erlebten Attentate. Dem Anonymus gelang es - kurz bevor die deutsche
Website www.qoqaz.de (Link9) im Nichts verschwand - das Email-Verzeichnis des
Newsletters mit allen verfügbaren Adressen an den Netzpranger zu stellen. Diese
Seite rekrutierte Gotteskrieger für den "Dschihad" und diente sich als
virtueller Truppenübungsplatz für militante Islamisten an selbst der
Chef-Logistiker der Anschläge auf Manhattan und Washington soll hier eingeschrieben
gewesen sein.
Doch schon bald werden diese ersten Cybergefechte
von sehr viel nachhaltigeren Attacken überboten werden. Präsident Bush zufolge ist Geld
der Lebenssaft von Terroristen und folglich sollen sämtliche identifizierbaren
US-Konten von Verdächtigen eingefroren werden. Da nun der weltweite Appell an Nationen
und Banken, diesem Beispiel zu folgen, bedingt wirksam sein wird, wird bereits erwogen, staatliche
Hacker den Generalangriff auf Ibn Ladins Auslandskonten führen zu lassen. Ein
prominenter Hacker ("Gen") hat das Antiterror-Hacking der Zukunft schon
beschrieben: Wenn das "Hacking alter Schule", der Einbruch in die Datennetze der
Banken, das Entriegeln der Sicherheitsvorkehrungen, nicht ausreicht, um den Schlag zu
vollenden, muss es mit "social engineering" vollendet werden. Bis zur
Stimmenimitation, ja sogar dem Auftritt von Schauspielern sollen alle simulativen Maßnahmen
ergriffen werden, um jeden Verdacht der Kreditinstitute und Rückforderungsmöglichkeiten
der Terroristen auszuschließen.
Vernetzte Gegenaufklärung und
Bewusstseinseintrübung
Ein "transnationaler Netzkrieg"
wird sehr unterschiedlichen politischen, propagandistischen und militärischen Kriegzielen
folgen. Aber auch Akteure jenseits staatlicher oder terroristischer Informationsmaßgaben
- Verängstigte, Trauernde, Paranoiker, Illuminaten - erreichen jetzt ihre globalen
Gemeinden und Sekten. So verdrängte "Nostradamus" - immer zur Stelle,
wenn mal wieder die allfällige Apokalypse droht - den über Jahre unangefochtenen
Königsbegriff "Sex" aus der Spitzenstellung der Suchmaschinen. Q33NY,
die vermeintliche Liniennummer eines der unglücklichen Todesflugzeuge, verwandelte sich
im Fondswechsel zur Miniaturhysterie der Verschwörungstheoretiker (Link10).
Der Flüsterwitz, der vormals die offizielle Propaganda unterlief, verfügt heute
über die Posaunen von Jericho und "Near-Realtime-Geschwindigkeiten" zu
seiner Verbreitung.
Aufklärung, Gegenaufklärung und Mythenbildung
verwachsen so zu komplexen Informationsszenarien. In der Rückkoppelung von
Wirklichkeit und Netz wird eine staatliche Informationsvorherrschaft selbst dann
nicht zu verwirklichen sein, wenn eine Kriegsgesetzgebung weitreichend auf
Freiheitsrechte zugreift. In einem Kampf zwischen den Kulturen ist die Kultur immer der
Verlierer, meint Samuel P. Huntington. Aber in diesem Krieg gibt es auch bereits erste
kulturelle "Kriegsgewinnler": Eher leise und unspektakulär wurde
nämlich ein anderer, seit Jahren schwelender Informationskrieg des Netzes
kurzfristig beendet. Noch vor einigen Wochen präsentierte ein amerikanisches
Softwareunternehmen eine schlagkräftige Antizensur-Technologie für chinesische
Internet-User. Die chinesischen Regierungsblockaden von unbotmäßigen Servern
werden durch Programme konterkariert, die elektronische Filter täuschen. Der jeweils
angesteuerte Inhalt scheint von einem politisch wohlerzogenen Rechner statt etwa
einer verbotenen Menschenrechtsseite zu kommen. Was zeitweise wie der aussichtslose
Wettlauf zwischen dem regierungstreuen Hasen und dem virtuellen Igel anmutete, wurde in
einer einseitigen Abrüstungsmaßnahme der chinesischen Regierung kurz nach dem 11.
September beendet. Seitdem haben chinesische Netzbesucher in sehr viel größerem Umfang
Zugriff auf kontroverse Webinhalte.
Epilog
Das überschaubare, medial geglättete Golfkriegsszenario
wird in dem völlig anders strukturierten Medienkontext des Netzes kein Kriegs-Revival finden.
Die von Terroristen und ihren Bekämpfern gleichermaßen reklamierte Gesichtslosigkeit,
ihre Maskierung stößt in einer multiplen Netzwirklichkeit auf zahllose Parteien,
Interessen und Kampfweisen. Das Netz ist gegenüber dem televisionären Echtzeitideal
der Wahrnehmung ein Medium mit anderen Zugriffsweisen auf die flüchtige
Wirklichkeit. Am 11. September stiegen viele Netzbürger wieder auf das Fernsehen um, um
hier unverzögert den Echtzeitschrecken zu erleben, weil das Internet in seiner
Sprachabhängigkeit primär ein diskursives Medium ist. Das Netz bedient
nicht den Wahrnehmungsanspruch unverzögerter Übertragung. Die virtuelle Agora,
aber auch die explosiven Mythenküchen konstituieren sich über unzählige
Online-Foren, News-Groups, User und Webmaster, die komplexe Gegenöffentlichkeiten gegen
offizielle Kriegswahrheiten und Desinformationstheater bilden können (Link11).
Insofern werden wir mit dem "Neuen
Krieg" auch die Bewährungsprobe des Netzes erleben, ob es Paranoia, Panik,
Verzweiflung, kulturelle Bruchlinien konterkariert, oder "Los Desastres de
la Guerra" noch virtuell überbietet. Was Krieg in den Zeiten eines wuchernden
Netzes sein wird, können wir angesichts der angekündigten Persistenz der neuen
Auseinandersetzungen nicht endgültig beantworten. Klar ist aber schon jetzt, dass die
neuen medialen Dynamiken unseren Begriffshorizont des Kriegs unabsehbar verändern
werden.
Goedart Palm
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