Alice Schwarzer, von der
streitwilligen Kampfemanze zur selbstbewussten Denkmalsetzerin starker
Frauen Gewandelte, will diese Frage beantworten. Sie zeigt die
Metamorphose der Unschuld zur Charakterdarstellerin, die Charakter
besitzt und ihn deshalb nicht spielen muss. Aber nach Schwarzer hätte
alles anders kommen können, wenn Romy nicht ins Prokrustesbett männlicher
Chauvis gedrängt worden wäre, wenn die Übermutter Magda Schneider
ihre Tochter nicht zur züchtigen Ikone des deutschen Films deformiert
hätte. Romy blieb nicht Sissi. Wider die eigenen Ursprünge wollte
sie beweisen, dass sie nicht nur der Blütentraum einer ehrgeizigen
Schauspieler-Dynastie war, sondern auch dem Leben als respektable
Schauspielerin gewachsen war, reife Kindfrau einer Kinozeit, die dem
Kitschzelluloid entstieg, um wieder zum Leben zu finden.
Sie wandelte sich zur verruchten Komplizin Piccolis
im Trio infernale, erlag dem wilden Schaf Jean Louis Trintingant und
wurde zur begehrten Femme fatale des französischen Lifestyle-Kinos.
"Existenzialismus light" wurde Romys zweiter Heiligenschein.
Späte Sternstunde im deutschen Talk-Fernsehen: Romy berührt Burkhard
Driests linken Arm und stellt fest: "Sie gefallen mir, Sie
gefallen mir sehr." Dass nun ausgerechnet der Sensiblen, ja
Unnahbaren der Vorzeige-Rohling der siebziger Jahre gefiel, holte uns
vom Fernsehhocker in die Wirklichkeit zurück. Romy, die Anarchistin
wider jede Wahrscheinlichkeit ihrer von Muttern gegängelten Kindheit?
Alice Schwarzer sagt nein, sie ist unzufrieden mit Romys Ausreißversuchen.
Sie kritisiert Romys Willfährigkeit, sich den Wünschen der Machos,
insbesondere der Protagonisten des großen Männerkinos wie etwa Orson
Welles oder Luchino Visconti zu unterwerfen. Romys tragische Reise
zwischen den Extremen, die nach der Biographin untergründig von Männerphantasien
verschweißt sind, wird minutiös anhand von Tagebuchaufzeichnungen
und Briefen rekonstruiert. Nach Schwarzer belügt sich Romy selbst,
wenn sie zur Frau an der Seite von Alain Delon wird, wenn sie von den
Projektionen der einflussreichsten Filmpotentaten eingeholt wird, wenn
sie ihr Starleben mit rosarotem Zuckerguss glasiert.
Schwarzers Romy-Recherche der verlogenen Zeit präsentiert
ein Frauenschicksal, das weniger vorbildhaft als exemplarisch in einer
Welt erscheint, die auch Märchenprinzessinnen in das Klimakterium der
Schicksalsjahre und bald schon in den Tod schickt. Das Leben ist also
doch ein Film - zumindest wenn "Frau" Romy Schneider heißt. |