Phänomenologisch
können Medien danach differenziert werden, wie wir mit ihnen umgehen. Ontologisch
entspricht dem, dass einzelne Medienkonstruktionen einen Punkt auf einer technischen
Entwicklungslinie einnehmen, auf einer Form insistieren, der sie zu Phänomenen werden
lässt.
So festigte sich etwa das Fernsehen zu
einem System technischer und sozialer Eigenwertigkeit. Der relativen Geschlossenheit eines
technischen Mediums korrespondieren "Gesten", die vorausgesetzt werden, wenn
Medien Wirkungen entfalten sollen und wir unseren Umgang mit ihnen beobachten. Wir
berühren sie, nehmen Haltungen ein, entwickeln Konventionen und Vorlieben.
Medien sind in ihrer Instrumentalität
zugeschnitten auf unseren Körper. Medienkontakte setzen ein interface voraus,
technisch-biologische Schnittflächen, die systemtheoretisch formuliert
"Interpenetrationen" eröffnen. Was liegt also näher, als
Vermittlungsverhältnisse von Menschen und Medien in ihrer phänomenologischen Praxis
besser zu verstehen, wenn Gesten beschrieben werden. Vilém Flusser plädiert für eine
allgemeine Theorie der Gesten, "ein Instrumentarium zur Orientierung in der
Situation, in der wir uns den Dingen und den Menschen gegenüber befinden" (Vilém
Flusser, Gesten. Versuch einer Phänomenologie, 2. Auflage 1993 Düsseldorf, S. 217). Die
Kompetenz einer allgemeinen Theorie der Gesten wäre, Ausdrücke von Freiheit zu
untersuchen und systematisieren (S. 220). Gesten als Freiheitsmodus betreffen danach das
Verhältnis von Körper und Werkzeugen. Flusser will in in diese allgemeine Theorie
anthropologische, psychologische, neurophysiologische und kommunikationstheoretische
Aspekte integrieren, um sie interdisziplinär und antiakademisch werden zu lassen. Welchen
Gewinn hat eine allgemeine Theorie der Gesten? Ein Klassifikationssystem der Gesten zielt
auf die Erhöhung der Freiheit und die Möglichkeit, umfassende Gesten überhaupt
durchführen zu können. Neue Medien entfalten ihre Potenzen erst im Umgang mit ihnen. Vor
der remote control kannte niemand das "zapping". So hatte schon Edmund Husserl
die Aufgabe der transzendentalen Phänomenologie darin gefunden, in der Einheit einer
systematischen Ordnung alle Gegenstände möglichen Bewußtseins zu ermitteln (Edmund
Hussserl, Cartesianische Meditationen, S. 56). Medienphänomenologisch wäre etwa McLuhans
"The medium is the message" nach Flusser auf eine Verwechslung der
Ausdrucksgesten mit kommunikativen Gesten zurückzuführen.
Und in der Tat: Wer nur fernsehen will,
ohne sich um die Inhalte zu bekümmern, wird auch mit außermedialen Botschaften
konfrontiert, die sich nicht aus der Selbstvermittlung des Mediums lösen lassen. Diese
Differenzierung von Ausdruck und Kommunikation verspricht, unsere Selbstvermittlungen im
Medium nicht als dessen Autonomie zu erfahren, sondern Medien zu instrumentalisieren, etwa
für kommunikative Zwecke. Kommunikation setzt differente Körper mit kompatiblen
Strukturen voraus. In der Einheit der Differenz von Apparaten und Körpern, Bildern und
Sinnen bleibt eine Theorie der Gesten sinnvoll. Medienphänomenologie wäre danach eine
Art kognitiver Schadensbegrenzung von Kommunikationsmängeln.
Nun steht und fällt eine allgemeine
Theorie der Gesten aber nicht nur mit der Klassifizierbarkeit von Gesten, sondern setzt
sowohl eine instrumentelle Kontur der Apparate wie auch typische Wahrnehmungsmodi voraus.
Ohne Apparate und ihre Emanationen, die sich von ihrer Umwelt unterscheiden, wäre es
sinnlos, Gesten zu untersuchen. Das scheint intuitiv wenig zweifelhaft, weil nicht nur das
Fernsehen, sondern auch Telefon, Computer oder Internet apparative und gestische
Komplementarität aufgrund formaler Geschlossenheit besitzen. Zwar sind die symbolischen
Systemebenen komplex und Kategorien stoßen sich immer wieder an der Mannigfaltigkeit von
Bild- und Tonverhältnissen, aber wir betrachten Medien als mehr oder weniger redundante
Anwendungsfälle ihres "In der Welt Seins". Apparate folgen ihrer inneren
Konstitution, sie setzen Codierungen voraus, denen sie gehorchen und in denen sie sich von
anderen unterscheiden.
Nun haben Berührungen von biologischen
und technischen Apparaten nicht nur Spekulationen über Körperinvasionen, über den
Austausch von natürlichen und künstlichen Funktionen ausgelöst, sondern auch über die
ontologischen Status von Medien - etwa Menschen. Ontologie ist ein Formproblem. Der Blick
auf die Evolution natürlicher Formen begründet unsere intuitive Dialektik von
Konstruktion, Auflösung und Neukonstruktion. Auch der Mensch ist nur solange Mensch, wie
er seine Kontur gegenüber den Anmutungen seiner Umwelt behält. Stirbt er, ist er nicht
länger Mensch: "Tote sind Dung" meint Max Horkheimer, aber diese säkulare
Feststellung ist ontologisch nicht länger befremdlich. Nun wird man kein Verhältnis zu
dieser paradigmatischen Umstellung finden, wenn klassische Medien auf den menschlichen
Wahrnehmungsapparat bezogen bleiben. Eine Brille verändert zwar meine Weltsicht, aber
meine Körperfunktionen, mein In-der-Welt-Sein, bleibt an die Konstituentien klassischen
Sehens gebunden. Die ontologische Sicherheit verliert sich sofort, wenn etwa technische
Implementationen im Bereich der Gehirnfunktionen das Verhältnis von Gedächtnis und
Vergessen verändern. Würde das Bewusstsein keine Informationen mehr diffundieren lassen,
wäre das nicht nur eine Erweiterung des Gedächtnisses, sondern ein paradigmatischer
Bruch in der Selbsterfahrung des Menschen. Jeder Technologie ist der Vorgriff auf solche
Entphänomenologisierungen und Neuverortungen der Vermittlung implizit. Ausgangspunkt mag
McLuhans Intuition gewesen sein, dass Medien natürliche Wahrnehmungen verstärken. Solange
wir von einem abstrakten Medium ausgehen wie dem elektrischen Licht, ist dieser
Sachverhalt ohne ontologischen Niederschlag. Auch wenn unsere Instrumente wachsen, bleibt
doch die Kontur erhalten.
Längst hat sich aber in der Vision
zukünftiger Entwürfe diese einfache Verlängerung der Sinne aufgelöst. Wir vermuten in
Medien neue Subjektformen, ohne mit dem Begriff des Subjekts vielmehr zu meinen als eine
autopoietische Geschlossenheit einer anderen Existenz. Wir dringen in Mikro- und
Makrosphären ein, besuchen unseren eigenen Körper, Körper schließen sich zu einem
globalen Bewusstsein zusammen. Technische Entwicklungen können daher nur dann als eine
Veränderung von Natürlichkeit und Künstlichkeit verstanden werden, wenn
Wahrnehmungsformen, mithin Handeln, sich aus alten konstitutiven Bezügen löst. Ein
Wahrnehmungsapparat, der neue Sinne besitzt, wirkt nicht nur auf alte zurück, sondern
wird auch seine Weltbezüge soweit radikalisieren, dass sich der ontologische Status des
Subjekts verändert. Ein Körper mit einer anderen Energiepolitik - etwa in einer
Umstellung hormoneller oder enzymatischer Funktionen - verlässt nicht nur den tradierten
Körper, sondern produziert neue Gesten. Diesem Vorgriff auf ontologische Umstellungen
korrespondieren epistemologische Veränderungen, von denen nicht gesagt werden kann,
welche kategorialen Folgen sie haben werden. Kommen wir auf die allgemeine Theorie der
Gesten zurück, können wir aber unseren kartesianischen Zweifel an der
Klassifizierbarkeit von Gesten validisieren. Es kann eine allgemeine Theorie der Gesten
nur geben, wenn eine fundamentalontologische Sicherheit bestehen bleibt, dass Körper
Körper, Menschen Menschen, Bilder Bilder etc. bleiben. Seit Husserl hat die
Phänomenologie aber ihr eigenes Gefahrenmoment vernachlässigt. Der blinde Fleck der
Phänomenologie ist das Phänomen selbst, soweit es in einem ontologischen Apriori
wurzelt. Husserls "Zurück zu den Dingen" war eine folgenreiche Absage an den
Realismus, in dem sich der starre Gegensatz von Subjekt und Objekt in
noetisch-noematischen Strukturen auflöst, d.h. erst im intentionalen Bewusstsein wird der
Gegenstand konstituiert. Aber auch das Noema als realer Gegenstand in phänomenologischer
Reduktion kann sich nur in der Perspektivität eines Dings erfüllen, das eben seine
Identität behält, auch wenn sich seine Wahrnehmung verändert. Die Verbundenheit von
Gegenstand-Welt und Ich-Welt geht zwar von einer Struktur aus, hängt von elementaren
Wirklichkeitsdimensionen ab.
In der Virtualisierung von
Wirklichkeitsdimensionen verschiebt sich aber die klassische Fragestellung weg von der
Wahrnehmungskonstitution zu den faktischen Vorbedingungen, zu den Entitäten. Auch wenn
diese nach phänomenologischer Betrachtung nur als wahrgenommene existieren, erfahren wir
unsere Wahrnehmung als geprägt durch raumzeitliche Vorbedingungen. So können etwa
"Elektrizität", "Ultraschall" mit traditionellen Sinnesorganen nicht
wahrgenommen werden. Dabei soll hier nicht interessieren, ob Virtualität und Realität
eine nicht länger differenzierbare Sphäre werden, sondern ob phänomenologische
Konstruktionen in der Leiblichkeit des Menschen noch auf greifbare, berührbare
Wahrnehmungsgegenstände stoßen werden.
Das begründete eine phänomenologische
Gemächlichkeit der Betrachtung, die zwar nicht länger das Wesen im Ding, sondern im
Bewusstsein verortet, aber in der Abkehr von einem planen Realismus, von einer
Vulgärontologie fester Weltbezüge, sich des Zugriffs des Bewusstseins auf
Gegenständlichkeit sicher wähnt. Auch Flussers "Gestologie" meint nichts
anderes als Bewusstseinsakte, die relativ gesicherte Dingkonstitutionen a priori
voraussetzen. Jedes Gegenstandsbewußtsein setzt das
"Sich-selbst-Gleichbleibende" im Perspektivenwechsel auf Objekte voraus. Wenn
aber technologischer Fortschritt nur mehr als eine fortschreitende
Entphänomenologisierung und Neukonstitution von Erscheinungen beschrieben werden könnte,
wären Gesten Fixierungen auf Gegenstände, die nur noch retrospektiv existieren.
Selbstverständlich hat die Phänomenologie ihren Anspruch zugleich in der Veränderung
absichern wollen. Flusser zielt auf keine Theorie der unveränderlichen Formen, die am
Ideal messen, was der Praxis standhält, sondern will empirisch-experimentelle Modelle
angeben, die eben keiner Urform folgen, sondern veränderbar sind (Flusser, Lob der
Oberflächlichkeit, S. 273 f. ). Aber auch diese Modelle gründen auf einer Potentialität
von Gegenständen, die aus ihrer Gegebenheit ableitbar ist. Wer "für eine
Phänomenologie der Medien" plädiert, wird nach wesensgerechten Aspekten suchen, die
sich gegen die Gewohnheit des Umgangs mit ihnen richtet.
So wäre etwa das Fernsehen nicht länger
als ideologisches Instrument zu nehmen, sondern als "kosmische agora" (Flusser,
Lob der Oberflächlichkeit. Für eine Phänomenologie der Medien, S. 199 - 1974
geschrieben!). Nun wäre, ohne zu den politischen Implikationen Stellung zu nehmen, das
Internet danach nichts anderes als eine zur phänomenologischen Vernunft herangereifte
Fernsehgesellschaft, eine in den Worten Husserls gesprochen, "offene
Monadengemeinschaft, die wir als transzendentale Intersubjektivität bezeichnen"
(Husserl, S. 133). Aber die ethische Beruhigung, die sich hier in der Wesensschau
einstellt, verflüchtigt sich, wenn man nicht länger den Lichtmetaphern der Aufklärung,
sondern Geschwindigkeitsmetaphern folgt. Phänomenologie
ist eine Art der Lichtführung, die immer wieder Strahlen auf Gegenstände treffen
lässt,
die sich trotz ihrer raumzeitlichen Bewegungen identifizieren lassen. Verlegt man aber die Bewegung in das Innere der Phänomene,
bewegt sich das Phänomen selbst in der Zeit immer schneller, so werden phänomenologische
Betrachtungen "unwesentlich" im strengen Sinne, weil sie nur das zu fassen
vermögen, was bereits vergangen ist. Daran ändert auch die Potentialität der
Wahrnehmung, ihre Extrapolation auf zukünftige Zustände wenig, weil auch dieses
vorgreifende Vermögen auf die Verfestigung von Wahrnehmungsoptionen gerichtet ist. Wer
diesem Zug der Phänomene nicht folgen will, mag folgendes Beispiel dienen: Würde etwa
eine Kommunikationsgemeinschaft mediale Formen asymmetrisch verteilen - einige
korrespondieren mit Briefpost, jene mit Telefon, wieder andere mit e-mail - würden
permanent Desynchronisierungen auftreten. Der Brief trifft etwa ein, wenn die
elektronische Kommunikation schon einen anderen Punkt der Verständigung erreicht hat, das
e-mail trifft auf eine Vergangenheit, die nicht mehr einlösbar ist etc.
Nicht anders führt aber die
phänomenologische Arbeit an den Medien zu theorie- und praxisschwachen Modellen, wenn
Medien nicht zuvörderst durch ihren Umgang, der ja wider die Konvention veränderbar sein
könnte, sondern durch ihre apparative Entwicklungsgeschwindigkeit bestimmt werden. So
würden etwa Kommunikationsweisen, lebensweltliche, aber auch wissenschaftliche oder
künstlerische, in einen Zugzwang der Wahrnehmung geraten, der Konventionen nur zum Preis ihrer Antiquiertheit
eröffnet. Günther Anders hat darin die conditio humana erkannt. Wahrnehmungen setzen die
Spannung von Ding und Wahrnehmungsfeldern voraus. Die Qualitäten von Wahrnehmungsfeldern
entscheiden über das Wahrnehmbare. Die Zahl dieser Wahrnehmungsqualitäten ist unendlich,
da sie sich geschichtlich entwickeln und die Zukunft der Wahrnehmung unabgeschlossen ist.
Niemand kann ein Ding sehen, wenn es
nicht "in situ" erscheint. Dieser unendliche Prozess sich neustrukturierender
Wahrnehmungsbeziehungen von Feld und Ding geht aber von einer Konstante aus. Protention
und Retention der (biologischen) Wahrnehmung halten das Phänomen in seiner
fest. Nun stützen sich
Wahrnehmungsfelder aber nicht nur auf das Beharrungsvermögen des
Gegenwartsbewusstseins,
sondern auf eine relative Geschlossenheit der vorausgesetzten Wahrnehmungsqualitäten. So
wird etwa ein abgestuftes Wahrnehmungsfeld "Landschaft", "romantische
Landschaft" etc. vorausgesetzt, um Konkretisierungen des Phänomens zu ermöglichen.
Würde das Wahrnehmungsfeld selbst beschleunigt, so würden permanent neue Qualitäten
erscheinen, die jede Situierung sogleich an ihre historischen Nachfolger abtreten. Das
alte Scheinparadigma von Hintergrund und Vordergrund wird selbst zum Schein. Hintergründe
verschwinden und das Nichts taucht an ihrer Stelle auf (Flusser, Lob der
Oberflächlichkeit, S. 328).
Kollabiert aber in der Digitalisierung
von Hintergründen und Vordergründen das Wahrnehmungsfeld als Ort der Gegenstände, ist
nichts mehr wahrzunehmen. Wir erleben nur noch Rauschen, Flimmern, eine Drift der
Entphänomenologisierung. Alles ist gleichermaßen Oberfläche, die jeden Gestus auf das
Verschwinden seines Wahrnehmungsfeldes bezieht. Eine "Theorie der Praxis" würde
an der Praxis irre werden, die ohne Zugriffsmodus bleibt, weil es letztlich nichts mehr
wahrzunehmen gibt. Es entsteht die Situation eines permanenten Vorgriffs, der sich fatal
auf freiheitsorientierte Gesten auswirkt, weil diese in der Zeit erst geformt werden
müssen. Jede aufgeklärte Geste käme zu spät, weil ihre Fixierung den rasenden
Wahrnehmungsfeldern widerspricht. Mobilität als Wahrnehmungsfalle heißt: Das Neueste
wird zum phänomenologischen Tod des Neuen. Danach stoßen unabgeschlossene Projekte, in
deren Postulat sich nicht nur Phänomenologen, sondern alle evolutionäre Diskurse
treffen, auf entwicklungsgeschichtlich heißlaufende Wahrnehmungsfelder. Das in der
Geschichte Unabgeschlossene wartet nicht länger auf seine Erlösung. Beschleunigung, die
vielleicht nur für Menschen in rasendem Stillstand endet, spottet dem
Gegenwartsbewusstsein, so zukünftig es sich auch gerieren mag. Vorformen dieser Erhitzung
von Wahrnehmungsfeldern beobachten wir etwa in rezeptiven und interaktiven Gesten,
zapping, surfen etc., die ja keine gesicherte Phänomenologie des Gestus besitzen, sondern
als phänomenologische Flüchtigkeiten beschrieben werden müssen. Das ist aber nicht
lediglich ein Gestus, der in Flussers Begriff auf seine Vollkommenheit umgestellt werden
könnte, also Freiheit ermöglicht, sondern ein in den Wahrnehmungsfeldern sich selbst
vollziehendes Geschehen.
In der phänomenologischen Drift wanken
nicht nur Weltbilder, sondern Wahrnehmungen finden nicht mehr statt, weil sie ohne Objekt
bleiben. Flusser konstatiert selbst, dass die Welt nicht mehr opak ist, sondern
durchsichtig geworden sei: "Und die Fackel, die sich selbst entdeckt hat, hat nichts
mehr zu beleuchten" (Flusser, Lob der Oberflächlichkeit, S. 326). Wenn aber nichts
mehr zu beleuchten ist, scheitert auch jede evolutionäre Welterschließung. Solche
Asymmetrien medialer Welterschließung als phänomenologische Schwäche wachsen aufgrund
exponentieller Entwicklungsgeschwindigkeiten. Allein eine Oberflächenbegegnung mit dem
Internet bestätigt diese Antiquiertheit von Gesten gegenüber veränderten
Medialisierungen. Die Präsentation von websites, Interaktivitätsdefizite, passive
Rezeption, Abbildung, aber auch soziale Modi behandeln dieses Medium wie ein mixtum
compositum aus Telefon, Fernsehen und Briefpost. Das ist keine Schwäche der
phänomenologischen Justierung auf einen neuen Standard, die Suche nach dem adäquaten
Gestus, sondern das Phänomen der Entphänomenologisierung medialer Gesten, überdeutlich
in der wuchernden Asymmetrie der Teilnehmerhandlungen.
Gegen den Phänomenologieverlust könnte
sich der Einwand richten, dass Phänomene in der Welt bleiben, ihre Selbst- und
Fremdvermittlung bei jeder Konstruktion vorausgesetzt wird. Aber unsere eigenen
epistemologischen Löcher belegen, dass technischer Fortschritt diese Hindernisse zugleich
beseitigt wie vergrößert. Die ungelöste Bestimmung von Medien als Werkzeuge oder als
Subjekte lässt gerade nicht den Schluss zu, dass sich Phänomenologien zu einer
gesicherten Erkenntnis der Medienontologie noch schließen lassen.
Die radikale Demontage dieser
phänomenologischen Geschlossenheit beobachten wir heute. Solche Fixierungen der Apparate
sind in Zukunft nicht mehr wahrscheinlich, da die technologischen Entwicklungsschritte
immer kürzer werden und exponentielle Entwicklungsschritte Phänomenologien ausradieren.
Da Phänomenologie von der Stabilisierung eines Entwicklungsschritts abhängig ist, werden
phänomenologische Medienbetrachtungen lediglich zur Retrospektive nicht wahrgenommener
Gesten. Gesten, wie sie Vilém Flusser untersucht, werden sich nicht länger fixieren. In
den medialen Evolutionen beobachten wir eine Entphänomenologisierung unseres vermittelten
Weltverhältnisses. Dieser Prozess bestreitet zum wenigsten die Möglichkeiten einer
Universalisierung medialer Entwicklung, aber "Gesten" als menschliche
Zugriffsweisen verfallen zu historischen Phänomene. Menschheitsdämmerung...
Goedart Palm
(Porträt des Autors: siehe unten)
|