Minimalistische
Fototheorie
Einzelbilder, Einzelbetrachtungen werden bedeutungslos, weil das Foto
nur im Verbund mit zahllosen Elementen der abgebildeten Welt einen
höchst relativen Stellenwert einnimmt. Sicher gibt es
Fotomanipulationen, Verzerrungen der Wirklichkeit,
Wirklichkeitsretuschen und -überhöhungen. Entscheidend ist jedoch die
Fotoerzählung als permanente Grundierung unserer Wirklichkeitserschließung.
Wir denken in Fotostrecken, machen Filme aus ihnen. Regietätigkeit
heißt: Keine Filme, die geschlossen wären, keine Filme, die
dramaturgisch rekonstruierbar wären. Wir schließen die Lücken der
Wahrnehmung. Es sind Filme, die singuläre Einheiten präsentieren und
zum Patchwork der Betrachtung werden, das auf eine Schließung der
Weltsicht hofft. Aura wird unwichtig. Das Foto arbeitet sich nicht an
der Wirklichkeit des Abbilds ab. Es gibt keine notwendige Beziehung zur
Originalität von Bildern. „Aktualität einer Fotografie meint also
jene Grauzone des Authentischen, in der die scheinbare visuelle Präsenz
der Dinge sich mit der Phantasiearbeit des Betrachtenden vermischt, um
dem Dargestellten einen Sinn zu geben.“ (Siegfried Kracauer, Das
Ornament der Masse).
Hier geht es um Dinge
und ihre Sinngebung.
Der Sinn der Dinge ist ihr Kontext, ihre wie immer geartete Verwendung
in Zeichenzusammenhängen. Sehen ist Handeln. Vor der Theorie einer
fotografischen Konstruktion von Wirklichkeit käme eine Theorie des
fotografischen Abfalls der und von der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit
als Konserve, deren Inhalt dynamisiert werden muss, was immerzu in der
Betrachtung geschieht. Nie wurde ein Foto statisch gesehen. Deswegen
sind alle Fototheorien unangemessen, wenn sie die dynamische Wahrnehmung
und Konstruktion der Wahrnehmung unterschlagen. Wir brauchen keine |