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Journalismus und Mediendämmerung

Novinářství a soumrak médií - Ke strukturní změně virtuálně drážděné veřejnosti

Zum Strukturwandel der virtuell irritierten Öffentlichkeit

"Müntefering hat sich keineswegs nur von Merkels Lachen becircen lassen. Auch die neue Sozialsemantik der Kanzlerin hätte gereicht, ihn zutraulich zu machen." (Der Spiegel, Nr. 49, 5.12.05). Wir vernehmen also ein circensisches Lachen, geeignet dazu, ein Hündchen namens "Münte" zutraulich zu machen, das aber vollends dem diskreten Charme der bourgeoisen Sozialsemantik erliegt. Das ist nicht erst seit heute Journalismus. Aufgeboten wird nicht weniger als der Mythos des einfühlsamen journalistischen Superbeobachters, der nach Gefühlen fragt, wo andere noch vordergründig in politische Programme und Inhalte verstrickt sind. Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Gefühlsnaivität, die ihn, bis der "Spiegel" kam, die geheimen Motive der Mächtigen zwischen verführerischem Lachen und klingenden Worten nicht durchschauen ließ. Von der Sozialsemantik Merkels bis zu den Untiefen der interpretatorisch offenen Foltersemantik der Condoleezza Rice gibt es journalistisch also scheinbar alle Hände voll zu tun.

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Der Geist in der Presse

Goedart Palm in Telepolis vom 15.10.2002

Vom Tod im Blätterwald

Der Soziologe Max Weber hatte in seiner Abhandlung über den schwierigen Beruf des Politikers auch ein wenig Mitgefühl für Journalisten. Diese Geistesarbeiter müssten ad hoc auf die Weltlage reagieren und dazu noch originell! Der Unterschied zur lang reifenden Arbeit professoralen Zuschnitts liegt auf der Hand, eine mitunter lebenslängliche Tortur oder Lustbarkeit, die etwa Niklas Luhmann in seinem Fall mit dreißig Jahren angab. In diesen Tagen ist es dagegen um journalistische Qualitätsdruckarbeit schlecht bestellt, weil es auf dem vormals weiten Feld angeschwärzten Papiers nicht mehr viel zu bestellen gibt. Der deutsche Zeitungswald kriselt, keucht und hechelt, stirbt vielleicht so unheldisch vor sich hin wie auch die danieder liegende Buchbranche. Gruner+Jahr verkauft "Berliner Zeitung" und "Berliner Kurier" an Holtzbrinck, die "Berliner Seiten" der FAZ wurden eingestampft. Die "FAZ" verzeichnete für das Jahr 2000 Umsatzeinbrüche von 28,7 Millionen Euro. Die Hiobsbotschaften häufen sich, seitdem sich Anzeigengewinne weiterhin dramatisch verringern.

Inzwischen bewegt die goldglänzenden Edelfedern für Politik und Kultur sogar die Frage, ob der Blätterwald staatlich subventioniert werden muss. Dabei wissen wir: Die Kultur erhält in Zeiten wie diesen das kleinste Scherflein, das noch übrig ist, wenn selbst der große Hunger vom überschuldeten Leistungsstaat mehr schlecht als recht gestillt wird.

SZ, FR, FAZ, ZEIT, Handelsblatt, Neue Zürcher Zeitung - die Krise hat sie alle erfasst. Nur das Krisenmanagement, wenn es denn überhaupt eines gibt, ist längst nicht klar. SZ, die rote Zahlen bis über beide Ohren schreibt, und FR wollen womöglich kooperieren. In Fusionen sind bereits andere geflüchtet, wenn auch zurzeit noch die Normierungen gegen Pressefusionen sich selbst gegenüber Notkartellen kleinlich geben. Im Klartext, also auf der Verliererseite, heißt das allemal: Stellenabbau. Das akademische Proletariat wird also noch gebildeter werden, als es das ohnehin schon ist. Zu IT-Profis, Ingenieuren und zahlreichen anderen Branchen gesellt sich jetzt noch das gelehrte "Federvieh". Während auf der einen Seite der Sprachverfall, die kulturelle Degeneration der Hochkultur oder pisanische Verblödung beklagt werden, stirbt der Typus des intellektuellen Journalisten aus, der den Adel seines oder fremden Geistes mit seinen Lesern teilt.

Unsere Aufmerksamkeitsökonomie ist ein Haushalt mit knappen Kassen. In der Dauerzuständigkeit der Zeitgenossen für sämtliche globalen Geschehnisse wird Struktur durch Ereignis, Kontemplation durch Konzentration, von Flüchtigkeit kaum zu unterscheiden, ersetzt. Die sensationalistische Häppchen- und Headline-Kultur macht sich breit, weil keiner mehr Zeit hat oder haben will.

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General-Anzeiger, noch eine kleine Anstrengung, wenn er weiter gelesen werden will 

Heute, 12.10.2012, berichtet der General-Anzeiger Bonn über eine Kornnatter, die in einem Garten neben dem Kindergarten der Auferstehungskirche am Haager Weg gesehen wurde. Oh Schreck, die Entwarnung, dass es sich um ein harmloses Getier und keine Ramba-Mamba-Zampa-Würgeschlange handelt, erscheint unserer Lieblingszeitung so aufregend, dass sie gleich zweimal inhaltlich gleichlautend präsentiert wird. Vor ein paar Tagen erhielt der General-Anzeiger den deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Es sei ihm gegönnt. Aber in das Grübeln kommt man bei Ungenauigkeiten der genannten Art schon. Jüngst erschien im GA die Mitteilung, dass ein Kampfhund eine Frau gebissen hat. Das ist in der Tat originell, weil auf jeder Journalistenschule doch das Klischee gelehrt wird, dass es richtig heißen muss: Mann beißt Hund. Abgesehen von solchen journalistischen Höhenflügen erscheint es mir allerdings noch einige Anstrengungen wert zu sein, sich nicht zu sehr auf das familiäre Allerlei und die gut gemeinten, aber bedingt unterhaltsamen Schülertexte zu verlassen. Der GA sollte sich dringend "entmuffen", denn wie ja längst allen deutschen Redaktionen bekannt ist, verspeist das Internet mit größtem Appetit Printmedien und ihre Neuigkeiten, die eben sub specie digitalis keine mehr sind. Dass der General-Anzeiger also zweimal die Kornnatter sich ringeln lässt, aber die Ausstellung einer der ältesten Bonner Künstlergruppen "Klärwerk III" bisher mit keinem Wort erwähnt, lässt uns dieses Flaggschiff des Bonner Journalismus inzwischen doch ein bisschen schwergängig erscheinen.

Goedart Palm

Alpha-Journalismus und andere Clownerien

Essay bei telepolis zum zehnjährigen Jubiläum

Die Zukunft des Internet

http://www.webwatching.info/

Interview Goedart Palm mit Hanna Haag 

 

 

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Copyright. Dr. Goedart Palm 1998 - Stand: 05. Juni 2018.