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musiktipps

Virtuelle Textbaustelle Goedart Palm

Unsterbliche Musikempfehlungen

Eilen Jewell 
Joscho Stephan - Django Nuevo 

Ja, genau so. Das ist die Fortführung des Erbes - glasklar gespielt, forever swinging. 

Zu den besten Blues-Platten "aller Zeiten" gehört die erste Junior Wells-Veröffentlichung: Hoodoo Man Blues. Kurze, auf den Punkt gespielte Stücke mit einer hervorragenden Gitarrenarbeit von Buddy Guy, die sich nicht so sehr in den Vordergrund schiebt. Guy "shreddert" mehr, spielt selbst auf der Gitarre einen "Harmonica-Style". Wells spielt seine Harp mit absoluter Autorität. Später legt Wells viele konventionellere Alben vor, was seine Meisterschaft aber nie beeinträchtigt. 
Wenn im Himmel Orgelmusik gespielt wird, dann lasst Jimmy Smith spielen.  Smith ist bereit und hat auch schon die einschlägige Aufnahme vorgelegt: "Groovin' at Small's Paradise" von 1957.  Barbara Dennerlein Solos ist auch nicht zu verachten. 
Grand Prix - Ich glaube nicht, dass der Grand Prix Eurovision bzw. der Eurovision Song Contest irgendetwas mit Musik zu tun hat. 
Arthur Blythe - Ich habe den Sound zu oft gehört, als dass ich ihn je vergessen könnte. Die relative Unordnung der Struktur stört mich hier wegen der präponderanten "Tröte" nie. 
Dan Auerbach: “We like spooky sounds..." Well, so do I. Die Tradition der Black Keys ist klar, so unwahrscheinlich der Erfolg dieser bekannten Schemata heute erscheint. The Black Keys lösen dieses Problem respektabel. Einerseits inszenieren sie diese Musik musikalisch, wie sie andererseits "nur" Musik machen. D.h. es gibt eine reflexive Ebene, die bis zur Ironie reicht - wir kennen das Schema von Frank Zappa - und weiterhin eine autochthone Ebene, als jenen Ort, wo der Blues sich erdet. Diese Spannung produziert dann den Kultcharakter, der nicht zum klassischen Blues gehört.

Goedart Palm
Hit-Listen - Fantastisch unsinnig, aber es macht Spaß, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Ordnungen wir herstellen könnten. Wofür? Für Inseln, die nicht existieren, um andere zu belehren und das Chaos der Hörwelten in den Griff zu kriegen. 
Biel Ballester Trio - Musiktipp Ende März 2010. Gypsy Jazz gibt es wie Sand am Meer, aber hier laufen die Musiker zu einer Form auf, die das Genre zwar nicht neu erfindet, aber so dynamisch auflädt, dass wir Django und die anderen in der Weise hören, wie sie heute spielen müssten.  
Es gibt ein einfaches Kriterium für gute Musik: Würde man das Album erneut kaufen, wenn man es verloren hat. Anderenfalls noch der Vorschlag, die musikalische Abfolge der eigenen Beerdigung respektive Verbrennung mit eben dieser Musik vorzubereiten. 
Linton Kwesi Johnson - der ist wirklich cool! Und Hand aufs Herz, von wem können wir das mit Überzeugung sagen? 
Divine Horsemen, Snake Handler, es hat so viel Alt., Punk, Indie etc. Kram gegeben, doch das ist eines der Alben, das bei aller relativen Schlichtheit der Instrumentierung sehr konsistent erscheint. Da gibt es keine Durchhänger, keine Schnörkel - also Album der Woche.  
Country Joe and The Fish 
Eine Gedenkminute für Blind Lemon Jefferson. Von diesem Gitarren-Stil zehren tausende Musiker nach ihm, darunter viele, die ihn vermutlich nicht mal kennen. 
Album der Woche (;): Yusef Abdul Lateef, Eastern Sounds

 

 

Provozierte Musik

Peter V. Brinkempers

intermediale Neuinterpretation

zu Thomas Manns "Doktor Faustus"

Wie der Ulysses von James Joyce gehört Thomas Manns Roman Doktor Faustus zu den großen epischen Entwürfen des 20. Jahrhunderts. Beide lösen sie die alteuropäischen Mythen, hier des heimirrenden Kriegers Odysseus, dort des an seinem Glauben verzweifelnden Dissidenten Faust aus ihrem antiken oder spätmittelalterlichen Kontext heraus und setzen sie als Protagonisten mitten in die entgötterte Welt einer entzauberten und ungewissen Moderne.

Das urbane Sprachabenteuer des Ulysses – die Vielfalt der von Kapitel zu Kapitel den Dubliner Alltag von Leopold Bloom einkreisenden Stilistika, Erzähltechniken und Perspektiven – führte schnell zur einhelligen Anerkennung durch die literarische Welt.

Dagegen hat sich die Kritik mit Thomas Manns 1943 bis 1945 im amerikanischen Exil entstandenem Epochenepos über Leben und Werk des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn durchweg schwer getan. Bei allem Respekt, Verständnisschwierigkeiten bereitete Manns ehrgeizige Intention, das Verhältnis der deutschen Nation zur Musik und die Kritik an ihrer unseligen politikfernen Innerlichkeit zu einem Roman zu verbinden.

So hat der Doktor Faustus bis heute eher eine ebenso disparate wie gelegentlich engstirnige Interpretationsgeschichte erfahren. Auf der einen Seite stehen rein kunsttheoretische Untersuchungen, vor allem zur Montage unterschiedlicher Quellen: von Nietzsche als Vorbild für den faustischen Komponisten Leverkühn, über Arnold Schönbergs musikalischen Expressionismus und seine spätere Zwölftontechnik bis hin zu Adornos kunstphilosophischer Abhandlung Philosophie der neuen Musik, fast zeitgleich zum Roman entstanden. Selten wird dabei in die darstellungstechnische Tiefe der prominenten Musikkapitel des Romans vorgestoßen, von Beethovens Klaviersonate opus 111 über Adrian Leverkühns fiktive Kammermusik bis hin zu seinen Hauptwerken, dem Oratorium Apocalipsis cum figuris und der Kantate Dr. Fausti Weheklag. Auf der anderen Seite stehen die Versuche, den politischen Gehalt des Romans vorschnell und allein aus den direkt zeitgeschichtlichen Passagen abzulesen: Immer wieder unterbricht der Erzähler Serenus Zeitblom die Darstellung der Biografie seines dämonisch angehauchten Jugendfreundes Adrian Leverkühn, um die absehbare Kriegsniederlage des nationalsozialistischen Deutschlands an allen Fronten zu schildern.

Peter V. Brinkemper hat gerade die gattungssprengende dionysische Verknüpfung von Künstlerbiografie, philosophischer Musikanalyse und politischer Zeitgeschichte zum Ausgangspunkt einer umfassenden Untersuchung gemacht: In den intermedialenFiguren von Spiegel und Echo findet Brinkemper nicht nur Metaphern sondern konkrete Modelle, wie literarische und musikalische Zeichensysteme je für sich, aber auch gattungsübergreifend organisiert werden können. In exemplarischer Weise legt der Autor die intermediale Tiefenstruktur des Romans frei, den exakt auskomponierten Dialog zwischen Literatur und Musik, die Kontrapunktik von Kunst und Politik, den Hochmut im Elfenbeinturm, die Barbarei von Blitzkrieg und Vernichtungslager. Der Erzähler Zeitblom attestiert Adrian Leverkühns apokalyptischem Oratorium "explodierende Altertümlichkeit", eine Kennzeichnung, auf die sich Adorno und Mann in einem ihrer zahlreichen kalifornischen Arbeitsgespräche zum Roman einigten, nicht nur im Hinblick auf die endzeitliche moderne Musik des Helden, sondern auch auf das Unwesen des Faschismus, die technisch hochgerüstete Antimodernität, die Hitlerdeutschland in seiner Politik verfolgte. Dabei beharren Adorno und Mann gerade auf der Autonomie der musikalischen Kunst, vermöge derer sie entschiedener und intelligenter zu den Zeitläuften Stellung nehmen könne als durch vermeintlich realistisches Abbilden oder polemisches Eingreifen.

Brinkempers Anspruch besteht darin, bisher eingefahrene und isolierte Diskurse der Literaturwissenschaft, der Musiktheorie, der Philosophie und der politischen Geschichtsschreibung interdisziplinär miteinander zu verzahnen. Und zwar keineswegs willkürlich: weder als Wagnersches Gesamtkunstwerk, noch in soziologischer Reduktion, auch nicht in zeitgenössischer multimedialer Beliebigkeit. Sondern gleichsam auf der Basis einer harten ästhetischen Währung, der intermedialen Vernetzbarkeit raumzeitlich ausdifferenzierter Medien, autonomer Künste und eigengesetzlicher Diskurse. Trotz seines erzählerischen Reinheitsgebots steht der Doktor Faustus der MTV-Culture näher als den allbekannten Künstler-Bürger-Debatten in den Buddenbrooks. Der klassische Wettstreit der Künste (deren Priorität Hegel zu Gunsten der Poesie und Nietzsche als Fürsprecher der Musik entschieden) ist längst einer flottierenden Medienkultur gewichen. Sie hat die feinen Unterschiede zwischen E- und U-Kultur, Elite und Pop, Sprache und Sound, elektronischem Image und Live-Konzert unwiderruflich zertrümmert. Adrian Leverkühns letztes Werk nimmt dies alles vorweg. Von dem kantatenförmigen Riesenlamento Dr. Fausti Weheklag heißt es in einem Atemzug, – kontrapunktisch zu den amerikanischen Entdeckungen der Gräuel von Weimar und Buchenwald: Menschen-, Gottes- und Höllenklage, Lied an die Trauer, Gegenstück zu Beethovens 9. Symphonie. Im paradoxen Jubel der Klage, die welt- und ich-verloren vergisst, worüber sie sich ergeht, in der vernichtenden Befreiung des verzweifelten Ausdrucks eröffnet sich die Möglichkeit einer radikalen Lesart des Romans, seiner musikalischen und politischen Darstellung in all ihren motivischen Spiegelungen und Echos, Multiplikationen und Sinnverkehrungen, wie sie Brinkempers wegweisende Untersuchung zum ersten Mal eingehend freigelegt hat.

Goedart Palm

Peter V. Brinkemper:

Spiegel & Echo, Intermedialität und Musikphilosophie im "Dr. Faustus".

Königshausen & Neumann. ISBN 3-8260-1247-X. 520 Seiten. DM 98,-

Musik in einer völlig anderen Problemstellung: Unerlaubte Verwertung geschützter Tonaufnahmen, Upload, Filesharing, Unterlassung und Abmahnung. Wenn Post vom Anwalt kommt...

Die Palmzweige und Peter V. Brinkemper

 

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Copyright. Dr. Goedart Palm 1998 - Stand: 05. Juni 2018.