Was
ist typisch "british"? Jeder hat seine eigene Liste im Kopf, aber Megazampano
Sir Jack Pitman verlässt sich auf eine Umfrage, die ihm die herausragenden nationalen
topoi liefert. Sir Jack, eine Mischung aus pit-bull und turbokapitalistischem
Geschäftsmann, plant einen Erlebnispark, der alle britischen Highlights, Tür an Tür,
als konzentrierte Events einem erlebnishungrigen Weltpublikum bieten will. Die Isle of
Wight wird zum Standort von "England, England" auserkoren. Aber schon bald
avanciert das britische Disneyland vom historischen Kunstgarten zum hyperrealen England.
"Echter als echt" scheint die Devise und selbst die Akteure wandeln sich von
Schauspielern zu Protagonisten, die den historischen Figuren das wahre Leben einhauchen.
Wer also England sucht, fährt nicht länger nach Großbritannien, sondern nach
"England, England". Selbst die Royal Family emigriert ins virtuell-reale
Szenario britischer Kraft und Herrlichkeit, Seite an Seite mit Robin Hood, Dr. Johnson
oder der aufs Erlebnisformat geschrumpften Royal Airforce. Das reale England entwirklicht
sich indes zu einer präindustriellen (Agri)Kultur, die Zivilisationsmüde, Gestrige und
Looser beherbergt. Aber zuletzt bleibt offen, wo das bessere England liegt. Wirklichkeit
oder Virtualität sind keine Maßstäbe fürs richtige Leben und Julian Barnes erweist
sich als Dialektiker, der den Leser durch die antipodischen Welten führt, ohne ihm die
letzte Option abzunehmen. "England, England" ist eine ironische Großmetapher
der wirklichen Wirklichkeit, die in einer Welt virtueller Überbietungen zum Desiderat
wird, ohne Hoffnung, letzten Aufschluss über die Heimat des Glücks zu finden. Längst
sind wir alle aufbereiteter Vergangenheit, inszenierter Gegenwart und antizipierter
Zukunft so oft begegnet, dass unsere Standortlosigkeit zum selbstverständlichen
Fortschrittsmodus wurde.
Goedart Palm |