Bonner Festspielhaus - Entwürfe, für die die Zeit noch nicht reif ist

Das Bonner Festspielhaus als Ausdruck seiner genealogischen Ursprünge. Die Inauguration von Alltagsdesign und eine repräsentative Ausstattung schließen sich also nicht aus. Kritiker erkennen postmoderne Referenzen, aber gerade dieser Mut zeichnet das Kassenmodell für alle Bürger aus. Sozioökonomische Eleganz und Verbindlichkeit der Form legen die Option für dieses neusachliche Modell nahe. Inzwischen gibt es auch eine Bürgerinitiative "Für eine soziale Stadt Bonn - gegen Bau eines Festspielhauses" , die das hochmögende Projekt nicht "unwidersprochen" hinnehmen will: "Denn die Bürger Bonns lassen sich in dieser wichtigen Zukunftsfrage ihrer Stadt nicht entmündigen." Vielleicht wäre das unten abgebildete Objekt daher ein fairer Kompromiss, der das - im Übrigen alte - Dilemma von Kulturluxus und Sparpolitik, das noch nie einseitig aufzulösen war, allegorisch trifft. 

Im Blick auf die Skandalisierung des World Conference Center Bonn wird dieses Modell immer attraktiver. Weil die, Hand aufs Herz, die immer von der Kostenlosigkeit des neuen Hauses handeln, das Scheitern nicht im Plan haben. 

Bonn Festspielhaus 2020 Goedart Palm

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Architekturen sind zeitgeistabhängig und je schneller sich der Zeitgeist dreht und wendet, desto unwahrscheinlicher ist die Eignung von Gebäuden für Jahrhunderte bzw. Jahrtausende. Während das Godesberger Villenviertel in seinem Erscheinungsbild tendenziell ein kohärentes Bild vermittelt, existieren diverse Bauten der siebziger Jahre auf der B 9 nicht mehr. Deswegen sollte man nicht für die Zukunft planen, schon gar nicht sich um deren Ästhetik sorgen. Dass Menschen in hundert Jahren in dieses oder jenes Festspielhaus gehen ist im Blick auf die veränderten Halbwertszeiten soziokultureller Entwicklungen nicht ansatzweise prognostizierbar.  

Exkurs zum Zeitgeist: Romantische Restposten

Das gegenwärtig neu entdeckte Lebensgefühl der Romantik funktioniert ähnlich wie die seinerzeit von Charles Wilp ozeanisch angerührte "Afri-Cola" – alles ist in dieser schwarzen Suppe enthalten, es kommt jetzt nur noch darauf an, es auch herauszuschlürfen. Wildromantisches und vor allem Banalromantisches wird heute mit viel Publikumsbeifall in die Kiste folgenloser Clownerien verräumt – zu Recht oder zu Unrecht ist dabei die Frage, die kaum einer glaubt entscheiden zu müssen.

Jonathan Meese, Christoph Schlingensief, Christoph Marthaler sind etwa solche Romantiker, die durch den (neo)dadaistischen Windkanal geschickt wurden, um nun im selbstbezüglichen "System Kunst" gut kontrolliert, wildromantische Entspannungsfantasien für Bürger zu garantieren, die vor allem Angst haben, Spießer zu sein und sich aus psychohygienischen Gründen erregen wollen oder müssen. Auch das ist natürlich typisch deutsch, die Beteiligten, spätromantische Künstler und tabuverletzungsbedürftiges Publikum sind Komplizen, die sich folgenlos beschimpfen und darin ihren Frieden finden. Schon zuvor hatte Joseph Beuys das romantische Ideal "Kunst = Leben" so erfolgreich in hermetisch plakative Formen gegossen, dass die kryptische Romantik zu einem deutschen Exportschlager des internationalen Kunstmarkts mutierte. Das klassische Ideal der Schönheit mag dabei auf der historischen Strecke bleiben, die sakrosankte Wahrheit zum Treppenwitz verkommen und die Moral stinken. Doch das "Interessante" bahnt sich nach Schlegel seinen Weg, der mit diesem Diktum als Kassandra unseres Kulturbetriebs gelten darf. Übersetzt für die Gegenwart heißt das also: die Unterhaltungs- und Aufmerksamkeitskultur, die nicht nach Wahrheit und Werten, sondern systemübergreifend nach dem Kitzel fragt, ist ergiebiger als die Trias der ewigen Werte.

Belege für diese romantische Dauerdröhnung finden sich nicht nur im angestrengten Kunstkommerz oder in der romantischen Restpostenverwaltung in Bayreuth, sondern ökonomisch relevanter, in den unzähligen überzuckerten Filmen aus Holly- und Bollywood, in den trüben Gefühlsverkitschungen der Telenovelas bis hin zum literarischen Elend der Bestseller. Diese variantenreiche Kulturindustrie (de)kultiviert indes nicht nur den Massengeschmack und entfremdet den Menschen in Warenbeziehungen, wie es Theodor W. Adorno und Max Horkheimer beschrieben. Es geht um unverzichtbare Reaktionen auf hungrige Gefühlswelten, die so direkt gestillt werden müssen wie andere Fastfood-Bedürfnisse auch. Erst kommt der Klingelton, dann die Kommunikation. Dabei ist die wichtigste Stimmung dieses Betriebs die zukünftige, weil unsere Gegenwart ihr Bekenntnis vornehmlich darin findet, an die Zukunft zu glauben. Neulich verriet ein Werbe-Zampano sein Weltwissen in der Formel, die Männer seien nun nicht länger "Zeitgeistverlierer", weil sie den "Konsumhedonismus" entdeckt hätten. Selbst hinter Neodadaismus, Neostrukturalismus oder Neo Rauch gibt es also noch unbekannte Stimmungen, die auf neue, futuro-mantische Träumer warten.

"Gemüthererregungskunst" ist seit dem frühen 19. Jahrhundert bis hin zu den gegenwärtigen populären Niederungen der Comedy-Shows unabdingbar, weil hier so befreiend die spöttische Geste gegenüber dem eigenen wie fremden Gefühl zum romantisch ironischen Mehrwert wird. Die Varianten der romantischen Spätverfassungen sind zahllos: Die Mädchen und Jünglinge dieser Tage mit verträumtem Blick unter struppig verspielten Haaren sind allesamt Taugenichtse, wie sie Eichendorff kreiert hat und enden wohl auch alle da, in ihren mehr oder weniger beschaulichen Lebensverhältnissen, in denen die genannte Angst, ein Spießer zu sein, sich in pure Lust verwandelt. Die Pop-Musik quillt seit Jahrzehnten über vor romantischen Sehnsüchten, die in allen Tonarten bedient, was der E-Musik-Konkurrenz, die im 19.Jahrhundert die Höhepunkte der Romantik erklomm, kaum mehr gelingt. Auch wenn "candlelight dinners", Romantik-Urlaub oder "fashion victims" als trivialisierte Schwundstufen erhabener Romantik gelten, sind die romantischen Bedürfnisse unterschiedlicher Erlebnis-Milieus so verschieden nicht.

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Postpostmodern - Bescheiden Retro-Style - Romantische Variante - Dekonstruktion der Bühne - Karnevalisch - Semper Fortuna 

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